Heute ist diese Bewegung nicht nur aufgrund geänderter politischer Verhältnisse erstarrt: Werke von Pollock & Co erzielen teils dreistellige Millionenbeträge und werden wegen hoher Versicherungssummen nur selten verliehen, zumal nach Europa.
Dass nun eine Ausstellung in Krems (bis 30.10.) einen kristallklaren Blick auf dieses Kapitel der Kunstgeschichte geben kann, ist ein Glücksfall und zugleich Ergebnis historischer Ungerechtigkeit: Denn wie viele Künstlerinnen wurde auch Helen Frankenthaler (1928 – 2011) nicht gleichermaßen gewürdigt wie ihre Kollegen.
Frankenthalers Nachlass-Stiftung versucht, das zu ändern – sie steuerte den Großteil der Leihgaben zur Kremser Schau bei. Diese fokussiert – wohl auch aus Kosten- und Logistikgründen – auf Arbeiten auf Papier, was die Kraft der stimmungsvollen Präsentation aber keineswegs mindert. Auch Frankenthalers Markt springt mittlerweile an – mit knapp acht Millionen US-Dollar (erzielt 2020 für „Royal Fireworks“) liegt der Preisrekord für ein Gemälde aber noch weit unter jenen für Pollock & Co.
Dass die Malerin eine Randfigur war, könnte indes nicht ferner der Realität sein: Nicht nur ihr bildnerisches Schaffen, auch ihre Biografie platzieren sie im Kern jener Szene, die sich um 1950 anschickte, die Kunstgeschichte ausgehend von New York neu zu erfinden. Dass dies einer Handvoll Protagonisten innerhalb weniger Blocks im Greenwich Village gelang, ist heute kaum mehr zu glauben.
Aber sie waren alle eine Clique: Clement Greenberg, der Kritiker, der zur wilden Malerei luzide Theorie lieferte, war um 1950 Frankenthalers Partner und machte sie mit Jackson Pollock, dem Zugpferd der AbEx-Bewegung, vertraut. Dessen viel zitiertes Credo „Ich male nicht die Natur, ich bin die Natur“ nahm sich Frankenthaler zu Herzen – bei aller Abstraktion ist die Landschaftsmalerei bei ihr stets in Griffweite, sei es auch nur durch einen Strich oder einen Lichtpunkt, der einen Horizont verheißt.
Das Ziel, als Schöpfergott auf der Leinwand etwas völlig Neues zu kreieren, beflügelte viele AbEx-Künstler (Pollock nannte jedes Bild, bei dem ihm dies gelang, „Number One“). Frankenthalers Einser-Moment passierte 1952, als sie verdünnte Farbe auf ungrundierte Leinwand schüttete, die sich dann vollsog. „Soak-Stain“ sollte sie die Technik nennen, die für Greenberg eine neue Reinheitsstufe der Malerei an sich bedeutete: „Je unmittelbarer man die Farbe mit ihrem Grund gleichsetzen kann, umso mehr wird sie von störenden taktilen Assoziationen befreit“, postulierte er 1960.
Fackelträger dieses „Colorfield Paintings“ waren dann allerdings Morris Louis und Kenneth Noland, denen Greenberg höchstselbst Frankenthalers Nummer-Eins-Bild „Mountains and Sea“ gezeigt hatte (Greenberg schätzte im Übrigen auch den Österreicher Wolfgang Hollegha).
Die Künstlerin blieb sich ihrer heroischen Leistung durchaus bewusst, ihr Geschlecht wollte sie in der Rezeption ihrer Kunst nie thematisiert wissen. In den 1980ern und 90ern blieb sie hoch aktiv, das Werk dieser Zeit – oft ausgeführt auf großen Papierbögen – nimmt in der Kremser Schau viel Raum ein. Innovation ist hier nicht mehr in gleichem Maß vorhanden wie in den 1950ern. Doch zeugen die Werke eindrucksvoll von einer Person, die von der Malerei buchstäblich durchtränkt war.
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