Hans Zimmer: "Das Auge hört mit beim Film"

Hans Zimmer: "Das Auge hört mit beim Film"
Hans Zimmer, der „Deutsche in Hollywood“, mit einer Lieberklärung an Wien.

"Wien hat mit Karl Kraus und Stefan Zweig den Zeitgeist, der jetzt für mich immer noch ausschlaggebend ist, wie wir über die Welt denken. Hier fühle ich mich zu Hause", sagt Hans Zimmer.

Er hat die Musik zu „Rain Man“, „Der König der Löwen“, „Fluch der Karibik“ oder „The Dark Knight“ und mehr als 120 weiteren Filmen geschrieben – vom kleinen Thriller bis zu großen Disney-Produktionen. Der Oscar-, Grammy- und Golden-Globe-Gewinner hat das Kino mit seinen Klängen geprägt wie kein anderer Komponist. Dabei hat der Autodidakt nie das Notenlesen gelernt.

Hans Zimmer im Videointerview: " Ich habe die Musik zu The Dark Knight Rises geträumt."

Hans Zimmer träumt The dark knight rises

 

Jetzt stand das Werk des gebürtigen Deutschen, der seit Jahrzehnten in Los Angeles lebt, im Mittelpunkt der Filmmusik-Gala „Hollywood in Vienna“ mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien im Konzerthaus.

Der 61-Jährige wurde mit dem „ Max Steiner Film Music Achievement Award“ geehrt, benannt nach dem Komponisten aus der Wiener Leopoldstadt, der in den 1920er-Jahren wesentliche Techniken für die Filmvertonung erfand und mit „King Kong“ den ersten großorchestralen Soundtrack der Filmgeschichte schrieb.

Vienna in Hollywood

„Ich dreh’ den Titel immer um. Absichtlich. Ich sagte ,Vienna in Hollywood’“, so Zimmer im KURIER-Gespräch. „Als Musiker, der in Hollywood Filme macht, hat man immer eine Beziehung zu Wien. Hollywood hätte ohne Wien gar nicht seine musikalische Sprache finden können. Die Stadt hat so viele Talente verloren in dieser dunklen Zeit.“

Ob Max Steiner oder Erich Korngold, Wien hat, so Zimmer, „unglaublich viel für Hollywood getan. Wo wären wir ohne Egon Schiele, Gustav Klimt oder Hedy Lamarr. Und von Sigmund Freud kam die Psychologie, die wir tagtäglich verwenden.“

Vor vielen Jahren hat ihm Ennio Morricone den Musiker Aleksey Igudesman vorgestellt, der mit Zimmer Werke für „Der Weg nach El Dorado“, „Spanglish“ und „Sherlock Holmes“ arrangierte, 2010 für einen Oscar in der Kategorie „Beste Filmmusik“ nominiert. „Mit Aleksey, einem russisch-deutschen Wiener, habe ich angefangen, Musik zu machen. Und er sagte: Wien ist die einzige Stadt, die noch Respekt vor Musikern hat.“

Eigene Klangwelten

Sein Europa nahm sich Zimmer auch noch auf andere Weise mit nach Amerika. „Ich sagte meinem Tischler, er soll mir ein Bordell in Wien aus dem 19. Jahrhundert nachbauen. Weil ich weiß, da wird jeder glücklich.“ Dort entstehen in einem fensterlosen, knallroten und mit Kitsch verzierten Arbeitsraum die Melodien für Millionen. Das Rot war ihm wichtig: „Das muss gefährlich wirken und einen aufwecken.“

Und wie kam das Kind von Flüchtlingen – Zimmers Mutter hatte die Kriegsjahre in England verbracht – nach Hollywood? „Ich kam auch nach England und hatte großes Glück. Ich konnte ja nichts außer Musik spielen. Das Spielerische war wichtig für mich. Und in Hollywood lassen sie einen spielen.“

Sein Stil sei nun einmal geprägt von europäischer Klassik – obwohl er das nie studiert habe. „Fluch der Karibik“ sei eigentlich irische Musik. „Das ist das Gute beim Film“, sagt Zimmer, „wir dürfen eigene Welten erfinden.“ Er schreibe ja gar keine Filmmusik, sondern versuche immer, auch seine eigene Geschichte in die Audiowelt einzubringen, so dass sie selbst schon etwas erzählt: „Ich versuche, dass die Musik auf ihren eigenen Beinen stehen kann und ihr eigenes Leben führt.“

Musik macht Emotionen

Musik ist die Seele des Films. „Das Auge hört mit“, sagt der Soundtüftler, der sich teils wie John Williams an sinfonischer Musik orientiert und teils Rock bis Heavy Metal und Ethno-Rhythmen in seine Arbeiten einfließen lässt.

Und was stört Zimmer an Hollywood, der gerade mit den Regisseur Steve McQueen den Film „Widows“ gemacht hat, der auf einer Mini-Serie aus den 1980er-Jahren basiert? „Dass das Thema – Brutalität gegen Frauen – immer noch relevant ist und wir doch endlich ein bisschen zivilisierter sein sollten.“ Zimmer arbeitet oft an zwei, drei Projekten gleichzeitig. Auch unterwegs, im Hotelzimmer auf kleinen Reise-Keyboards.

Im Moment hält ihn eine neue Live-Action-Version von „König der Löwen“ nachts wach, der Streifen, der ihm 1995 einen Oscar bescherte.

„Wer hätte gedacht, dass der Hans, der immer aus der Schule rausgeworfen wurde, doch irgendwas zustande bringt?“, sagt Zimmer. „Der Hans, der immer am Klavier geklimpert hat, dem sie sagten: ,Das wird ja nix. Der muss das Leben endlich ernst nehmen.’ Ich habe das Leben nie ernst genommen und nie aufgehört, spielerisch zu sein.“

INFO:„The World of Hans Zimmer. A Symphonic Celebration“, 12. 4. 2019 Wien Stadthalle; 13 4. Graz.

Das ganze Interview mit Hans Zimmer im Video.

Hans Zimmer Interview Langversion

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