Ein Hans im Glück im Ersten Weltkrieg

Verfasser Hans Herbert Grimm wollte anonym bleiben
"Schlump". Der berühmte Antikriegsroman.

Es liest sich zunächst wie ein Episodenroman über einen einfältigen Tollpatsch, der wie durch Zufall in den Krieg geraten ist: Zum Jahrestag des Ersten Weltkriegs hat der Verlag Kiepenhauer & Witsch Hans Herbert Grimms berühmten Antikriegsroman "Schlump" wieder aufgelegt.

"Die Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schultz, genannt ,Schlump‘, von ihm selbst erzählt", erschienen ursprünglich 1928, im selben Jahr wie Erich Maria Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues".

Ihr Verfasser, der Lehrer Hans Herbert Grimm, wollte aus Angst um seinen Posten unbekannt bleiben. Es hätte wohl seine bürgerliche Existenz gefährdet, glaubte der Thüringer Doktor der Philosophie, wenn die Öffentlichkeit erfahren hätte, dass er der Autor eines Buches war, das die deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg wenig heldenhaft beschrieb. "Die deutsche Kriegsstrategie töricht, unsinnig und dumm. Der Kaiser ein Feigling. Der ganze Krieg als brutaler, schlechter Witz", schreibt der Literaturwissenschafter Volker Weidemann im Nachwort zu "Schlump".

Er war es auch, der in seinem "Buch der verbrannten Bücher" über die Bücherverbrennung 1933 Grimms Pseudonym aufdeckte.

Schelmenroman

Ein Hans im Glück im Ersten Weltkrieg
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Antikriegsplädoyer und zugleich Schelmenroman: wenige Jahre nach Hašeks "Schwejk" erschienen, bezieht sich "Schlump" auch auf Grimmelshausens Barockroman "Simplicissimus". "Der abenteuerliche Simplicissimus" (1668) ist ein Buch über den dreißigjährigen Krieg, dessen Protagonist von einem Abenteuer ins andere stolpert. Und so geschieht es auch dem Schlump, der wegen eines Kinderstreichs zu seinem Spitznamen kommt: Ein Gendarm hatte sich so über den kleinen Erich geärgert, dass er nicht wusste, ob er ihn "Lump" oder "Spitzbub" nennen sollte.

Sein einfältiges Gemüt bringt den 17-Jährigen zunächst nach Frankreich, wo er komplett niedergerissene Häuser sieht, von denen nur mehr eine Wand steht, an der eine Kinderzeichnung hängt: "Die Eltern werden sich wundern, wenn sie das Haus wieder sehen."

Sein sonniger Charakter hilft Schlump durch die schlimmsten Albträume der Schützengräben – Weidemann vergleicht ihn mit einem "Hans im Glück", der am Ende sogar wieder heim zu seiner Johanna findet, die tatsächlich auf ihn gewartet hat.

Verfasser Grimm hatte weniger Glück, wie Weidemann herausfand. Als sein Buch 1933 verbrannt wurde, lebte Grimm in ständiger Angst, entdeckt zu werden, trat aus Opportunismus sogar der NSDAP bei. Im Sommer 1950 wurde Grimm von Beamten der neugegründeten DDR befragt, niemand weiß worüber. Zwei Tage später nahm er sich das Leben.

KURIER-Wertung:

Wie konnte es sein, dass der Erste Weltkrieg, der zur ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts wurde, zu Beginn so viele Anhänger fand? Elisabeth Zöller beschreibt in ihrem Jugendbuch „Der Krieg ist ein Menschenfresser“ (Hanser, 280 S., 16,40 €), wie sich in der ersten Mobilmachung die wenigsten die Militärkapellen und die Volksreden entgehen ließen. Auch Ferdinand und August lassen sich von der Volksfeststimmung anstecken und ziehen aus „Abenteuerlust“ an die Front. „Paris, wir fahren nach Paris!“, jubeln sie. „Sterben? Sterben ist ungefähr das Letzte, was ich tun werde,“ ruft August und Ferdinand ist überzeugt, dass der Krieg zu Weihnachten vorbei sein werde. In 57 Kapiteln, aus mehreren Perspektiven und sozialen Lebenswelten schildert Zöller, wie die Kriegspropaganda funktionierte.

Kinderschicksale im Krieg beschreibt Yury und Sonya Winterbergs Band „Kleine Hände im Großen Krieg“ (Aufbau. 368 S. 23,70 € ), dem die Mitarbeit an dem gleichnamigen Filmprojekt vorausgegangen ist. Das Autorenpaar berichtet von Kindersoldaten ebenso wie von Flüchtlingskindern aus der ganzen Welt. Neben teils erschreckenden Fotos, u. a. von hungernden Kindern im Wien der letzten Kriegsjahre, sind ergreifende Kinderzeichnungen abgedruckt. Stille Schicksale ebenso wie Prominente, die im Krieg aufwuchsen, unter ihnen Simone de Beauvoir und Marlene Dietrich.

Aus ungewöhnlichen Perspektiven schildert der Historiker Richard van Emden den Alltag im Ersten Weltkrieg. In „Mit dem Feind leben“ (Hoffmann und Campe. 432 S.,23,70 €)zeichnet er anhand bisher unveröffentlichter Zeugnisse, Briefe und Tagebücher Schicksale zwischen den Fronten nach: Darunter Fußballspiele oder gemeinsame Weihnachtsfeiern zwischen Deutschen und Engländern. Und kuriose Fundstücke wie das Foto eines Engländers mit deutscher Pickelhaube – damals ein beliebtes Souvenir bei den britischen Soldaten.

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