"Ich fühlte mich als Frau unsichtbar"
Frauen dürfen in Saudi-Arabien weder Auto fahren, wählen noch ohne Erlaubnis ihres Mannes arbeiten. Haifaa Al Mansour (39) ist es unter schwierigen Bedingungen gelungen einen Film zu drehen. In „Das Mädchen Wadjda“ – ab nächsten Freitag in den Kinos – erzählt sie die Geschichte einer 11-Jährigen, die versucht ein selbstbestimmtes Leben zu führen, in einer Gesellschaft, die Frauen und Männer trennt. Im KURIER-Interview spricht Al Mansour über ihre Kindheit ohne Schleier und ob ihr Film das streng islamische Land verändern kann.
KURIER: Sie wurden Regisseurin, obwohl es in Ihrem Heimatland keine Kinos gibt.'
Haifaa Al Mansour: Kurz bevor ich begann, Filme zu drehen, absolvierte ich mein Studium und arbeitete bei einer Ölfirma. (Sie studierte in Ägypten Englische Literatur und auf einer Filmschule in Australien, Anm.). Als junge Frau war es für mich schwierig in diesem Staat zu leben. Ich fühlte mich als Frau unsichtbar. Filme zu drehen wurde für mich zum Hobby und zur Therapie, um mich selbst zu finden und meine Gefühle auszudrücken. Ich wollte dadurch eine Stimme bekommen.
Sie und Ihre Schwester galten als Außenseiter. Wie war Ihre Kindheit?
Die Hauptdarstellerin trägt Converse unter ihrer Abaya (mantelartiges Kleidungsstück, Anm.) und will trotz Verbot ein Fahrrad kaufen. Waren Sie rebellisch?
Ich war nicht so frech wie Wadjda, sondern ein sehr schüchternes Mädchen. Gute Noten zu haben schien mir als bester Weg, um von den anderen akzeptiert zu werden.
Wofür steht das Fahrrad?
Wie haben Sie die Hauptdarstellerin entdeckt?
Wir hatten nicht viele Kandidatinnen und konnten keine öffentliche Ausschreibung machen. Vieles lief über Mundpropaganda. Eines Tages kam Waad zu uns. Sie hatte zerzaustes Haar, trug Jeans und Turnschuhe. Ihr Charisma und ihre kräftige Stimme waren unglaublich.
Sie mussten während der Dreharbeiten aus dem Bus via Walkie-Talkie Anweisungen geben, da Sie als Frau in der Öffentlichkeit nicht drehen durften.
Es war so schwierig und ich bin dankbar, dass sich die deutschen Produzenten auf das Risiko eingelassen haben. Wir hatten zwar die Erlaubnis des Kulturministeriums, aber in konservativen Gegenden wurde uns der Zugang zu den Drehorten oft verweigert. Die Menschen wollten keine Kameras sehen. Durch Sandstürme verloren wir zwei Drehtage. Wir hatten nur wenig Budget und konnten uns nur kurz an Orten aufhalten. Aber wir trafen während der Arbeit viele offene und interessierte Menschen. Ich glaube, dass das Land dabei ist, sich zu verändern.
Ihr Film zeigt erstmals den Alltag aus der Sicht einer Frau. Die Menschen in Ihrem Heimatland können den Film nicht sehen.
Das macht mich sehr traurig. Vielleicht werden sie ihn später auf DVD sehen. Ich verfolge die Reaktionen auf Twitter und bekomme viel positiven Zuspruch. Erst vor einigen Tagen schrieb mir ein Mädchen aus Saudi-Arabien, dass es versuchen will, den Film online zu finden.
Meine Mutter ist sehr stolz auf mich. Sie erzählte mir, dass viele Menschen nach meinem Film fragen. Andere Familienmitglieder, wie mein Bruder sind sehr konservativ. Ihm gefällt es nicht, dass ich Filme mache, aber er respektiert es.
Kann der Film was verändern?
Er wird etwas verändern, auch wenn das nicht sofort passiert. Filme öffnen den Menschen die Augen und regen Diskussionen an. Immerhin dürfen Frauen in Saudi-Arabien seit April Rad fahren. Ich glaube, die Diskussion über den Film hat dazu beigetragen.
Ihr Ehemann ist amerikanischer Diplomat und Sie wohnen in Bahrain, wie ist es zwischen zwei Kulturen zu leben?
Ich mag die westliche Kultur, sie hat viele Werte, die ich schätze. Aber ich fühle mich als Saudi. Ich vermisse die Hitze, den Kaffee und das Essen (lacht). Dennoch bin ich froh, dass ich ein Fenster zum Westen habe.
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