Hader als Stefan Zweig - "Ein Grund, ins Kino zu gehen"

Josef Hader brilliert in seiner Rolle als Stefan Zweig mit großer Feinfühligkeit: Gemeinsam mit seiner Frau (Aenne Schwarz) geht er in Brasilien ins Exil
Maria Schrader verfilmte die letzten Lebensstationen von Stefan Zweig im Exil: "Vor der Morgenröte".

Ausgerechnet Josef Hader hatte man sich nicht als Stefan Zweig vorgestellt. Maria Schrader schon. Und sie hat Recht behalten. Denn Hader als Zweig ist herausragend – gleichermaßen trocken und tiefsinnig. In ihrem zartfühlenden Film "Vor der Morgenröte" (derzeit im Kino) erzählt die deutsche Schauspielerin und Regisseurin von den letzten Lebensjahren des österreichischen Bestseller-Autors. Der Verfasser der "Schachnovelle" war vor Hitler geflohen und beging 1942 mit seiner Frau im brasilianischen Exil Selbstmord.

KURIER: Man hat das Gefühl, dass es derzeit so etwas wie eine Zweig-Renaissance gibt – etwa durch Wes Andersons Film "The Grand Budapest Hotel", der auf Zweig-Literatur beruht. Haben Sie das Gefühl, Teil dieser Interessensbewegung zu sein?

Maria Schrader:Diesen Eindruck bekommt man tatsächlich, zumal ja auch kürzlich Ulrich Weinzierls Zweig-Intimbiografie erschien, der ich übrigens sehr gespalten gegenüberstehe. Aber die erste Drehbuchfassung für meinen Film gab es bereits Anfang 2012 – und ich weiß nicht, ob da von diesem Interesse schon etwas zu spüren war.

Sie beschränken sich in Ihrem Film gänzlich auf Zweigs Exil-Jahre. Warum?

Mir war sehr schnell klar, dass sich mein Interesse vor allem auf seine letzten Lebensjahre konzentriert. Ich hatte den Eindruck, dass ich durch die Beschäftigung mit Zweig das erste Mal auf subjektive, sinnliche und komplexe Weise erfahren konnte, was es bedeutet, ins Exil zu gehen. Das war mir davor nicht so deutlich bewusst. Natürlich weiß man heute, dass die Exil-Schriftsteller mit unterschiedlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wie sehr etwa Bert Brecht in Los Angeles geschlingert ist. Aber dieser plötzliche Zustand, zwischen zwei Welten zerrissen zu sein, hat mich interessiert.

Sie vermeiden es auch, Erklärungen für Zweigs Selbstmord nahezulegen.

Ich wollte mich einem Erklärungsmuster verweigern, das begründet, warum er sich umbringt. Es wäre vermessen. Niemand kann das. Stattdessen habe ich mir gewünscht, ein möglich großes Wirklichkeitsgefühl herzustellen. Es scheint mir auch so, dass Zweig in seinen letzten Jahren eine Figur geworden ist, über die er selbst hätte schreiben können – weil es solche Extreme gibt, die die Spannung erhöhen. Auf der einen Seite war er so berühmt und stand im Austausch mit großen Zeitgenossen, um dann im Exil an den einsamsten Ort zu geraten. Plötzlich steht er im Regenwald, die Papageien fliegen um ihn herum ... zumindest in unseren jetzigen Augen ist es eine paradiesische Welt. Und da bringt er sich um, er, dem es besser geht als Millionen anderen. Er wird nicht persönlich verfolgt, er hat ein Auskommen, er kann arbeiten, er hat eine dreißig Jahre jüngere Frau – alles ist rätselhaft und interessant.

Josef Hader ist in der Rolle des Stefan Zweig hervorragend, aber auch überraschend. Hatten Sie Bedenken, dass sein Image als Kabarettist ein Problem sein könnte?

Null. Es gab aber von österreichischer Produktionsseite im Vorfeld die Sorge, ob das österreichische Publikum diesen Schritt mitmachen würde. Ich finde aber, dass man bei Josef Hader in der Art seiner Ironie und in seinem Blick auf die Welt die darunter liegende Melancholie und Ernsthaftigkeit, den Ernst, sehr deutlich spürt. Er ist der Empfindungstiefe von Stefan Zweig gewachsen. Außerdem kommt auch ein Lustfaktor hinzu: Ich lasse mich gerne überraschen, wenn jemand etwas ganz Neues ausprobiert und ein bestimmtes Bild verlässt. Das ist ein Grund, ins Kino zu gehen – die Neugier.

Zweig hat sich im Exil geweigert, Hitler-Deutschland zu verurteilen, und wurde dafür kritisiert. Sie zeigen diese Auseinandersetzung quasi in Echtzeit. Muss ein Künstler Position beziehen?

Ich finde Zweigs Haltung streitbar, und ich wollte die Szenen so erzählen, dass man sie aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann. Gerade die Uneindeutigkeit hat mich interessiert. Zweig war so ein Meister der Zwischentöne. Er hat als Pazifist und Intellektueller jede Art von Radikalität abgelehnt.

In "Vor der Morgenröte" geht es um Flucht und Exil – ein sehr gegenwärtiges Thema. Wo sehen Sie die Ähnlichkeiten?

Hader als Stefan Zweig - "Ein Grund, ins Kino zu gehen"
Vor der Morgenröte
Meiner Ansicht nach hat unsere heutige Zeit parallele Tendenzen zu den beginnenden 1930er Jahren. Auch wir leben in einer immer radikaler werdenden Umgebung. Wir verlieren die Mitte, die Bedachtheit und die Vernunft. Ich habe den Eindruck, es werden Schreckensszenarien entworfen, um politisch zu punkten. Aufgrund dieser Polarisierung gibt es keinen Raum mehr, in dem man differenziert denken kann. Und wenn Zweig sagt, er kann Radikalität nur zulassen, um die Errungenschaft der Differenzierung zu verteidigen, finde ich das sehr beeindruckend.

Trotzdem waren die Angriffe auf Stefan Zweigs Haltung ganz massiv.

Natürlich haben auch die Vorwürfe – etwa von Hannah Arendt – ihre Gültigkeit. Daher wollte ich Szenen bauen, in denen für diese Art der Komplexität Platz ist. Dafür kann Kino ein Raum sein – und so gesehen hat mein Film durchaus eine politische Dimension. So sehr das Kino ein Platz der "Versicherung" sein kann, wo man Heldengeschichten anschauen kann, die "bigger than life" sind, so sehr kann Kino auch ein Ort der Verunsicherung sein. Gerade bei Stefan Zweig hatte der Zweifel großen Platz in seinem Leben – das hat mich angezogen.

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