"Er ist ein Sklave seiner Hormone"

Günther Groissböck als Ochs auf Lerchenau (im Bild mit Silvana Dussmann als Marianne Leitmetzerin).
Günther Groissböck über sein Debüt als Ochs auf Lerchenau bei der Salzburger Strauss-Premiere.

Wenn die Salzburger Festspiele diesen Freitag ihren vor 150 Jahren geborenen Gründervater Richard Strauss mit einer "Rosenkavalier"-Neuproduktion ehren, kommt es dabei zu einer besonderen Premiere: Erstmals singt der aus Waidhofen an der Ybbs stammende Bass Günther Groissböck die zentrale Figur des Ochs auf Lerchenau, nach der die Oper ursprünglich auch benannt hätte werden sollen. Krassimira Stoyanova ist die neue Marschallin, Sophie Koch der Octavian, Mojca Erdmann die Sophie.

KURIER: Die meisten Sänger probieren neue Rollen in kleineren Häusern aus, Sie singen Ihren ersten Ochs gleich im Großen Salzburger Festspielhaus. Wie kam es zu diesem Debüt?

Günther Groissböck: Ich wurde schon seit längerer Zeit bearbeitet, diese Partie zu singen, vor allem vom ehemaligen Wiener Staatsoperndirektor Ioan Holender nach einer "Rusalka"-Premiere 2010 in München. Er dachte in seiner Eigenschaft als Berater der MET an einen "Rosenkavalier" 2015 in New York. Ich hatte damals aber noch Probleme mit dieser Figur.

In welcher Hinsicht?

Sie war mir zu wenig kantig. Der Ochs wird ja meistens als lieber, harmloser Onkel dargestellt. Gleichzeitig ist der vokale Anspruch mit den langen kantablen Szenen, mit dem Parlando und den vielen Attacken gewaltig. Der Gedanke an den Ochs hat mich aber nicht mehr losgelassen, und ich habe Holender zwei Monate später gesagt: Okay, ich mache es.

Aber warum dann jetzt in Salzburg und nicht an der MET?

Die Premiere in New York unter James Levine hat sich auf 2017 verschoben. Aber es hatte sich herumgesprochen, dass ich den Ochs singen werde. Und so ist Intendant Alexander Pereira auf mich zugekommen. Der erste Ochs gleich in Salzburg – das ist natürlich eine extreme Bürde. Aber für mich war klar: Wenn ich das mache, dann bei einer solchen Neuproduktion. Mit einem Dirigenten, bei dem ich mich wohlfühle. Mit einem Orchester, das das Stück perfekt kennt. Und am besten vor einem Publikum, das die Zwischentöne versteht.

Szenenfotos: "Der Rosenkavalier" bei den Salzburger Festspielen

"Er ist ein Sklave seiner Hormone"

SALZBURGER FESTSPIELE: FOTOPROBE " DER ROSENKAVALI
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AUSTRIA SALZBURG FESTIVAL REHEARSAL
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Sie wollen da kein lieber Onkel sein – wie sehen Sie den Ochs?

Das ist ein unglaublich präpotenter, eingebildeter, seiner Herkunft überbewusster Playboy. Schamlos opportunistisch, dabei aber durchaus auch charmant und witzig. Er hat halt nur Pech mit dieser Konstellation. Wir präsentieren die Oper ohne Striche, also mit dem langen Ochs-Monolog im ersten Akt, in dem er über seine Ausschweifungen erzählt. Dadurch bekommt die Geschichte eine ganz neue Facette. Das ist wie die Register-Arie des Leporello, nur dass sie von ihm selbst handelt. Jedes Mädchen ist tendenziell seine Beute. Er stellt Dinge an, für die sich eigentlich der Staatsanwalt interessieren müsste, wenn man bedenkt, dass etwa das von ihm begehrte Mariandl nach seiner Einschätzung noch "keine fünfzehn Jahr" ist. Trotzdem ist er kein banaler Landadeliger, sondern hatte als kaiserlicher Kämmerer eine hohe Funktion bei Hof. Maria Theresia hätte gewusst, wer er ist.

Wie kann es dann aber sein, dass er die Maskerade mit dem als junges Mädchen verkleideten Octavian nicht erkennt?

Dieser Ochs ist kein Trottel, aber er schaut nur auf die weibliche Silhouette, weniger aufs Gesicht. Er ist ein Sklave seiner Hormone. Das gibt es ja bei hohen Tieren heute immer noch. Man muss sich nur manche Politiker anschauen, wie sie über Affären stolpern.

Welche bisherigen Erfahrungen haben Sie mit Salzburg?

Das letzte Mal, dass ich hier gesungen habe, war 2007 der Eremit im "Freischütz". Mein Festspiel-Debüt war 2002 in der "Liebe der Danae" von Richard Strauss. Dazwischen war ich unter anderem 2005 als blutiger Anfänger unter Riccardo Muti auch zwei Mal der Sarastro in der "Zauberflöte". Damals habe ich mir fast in die Hos’n gemacht (lacht). Also habe ich noch eine Rechnung mit diesem Haus offen.

Sie haben in der Zwischenzeit international Karriere gemacht, in Bayreuth, München, Paris, an der Scala oder an der MET. Wie ist es nun für Sie, nach Salzburg zurückzukehren?

Ich war zuletzt auch bei zwei Premieren in Wien, "Rusalka" und "Lohengrin". Aber man sieht, wenn man nicht andauernd hier ist, vieles gelassener. Man erkennt, dass man in einem schmalen Bereich tätig ist, nur ein kleiner Prozentsatz interessiert sich dafür, man darf seine Tätigkeit nicht überschätzen. Das ist sehr gesund.

Sie sind 37 Jahre alt und singen schon die größten Partien. Was kann da als nächstes kommen?

Ich würde wahnsinnig gern den Philipp in "Don Carlo" singen. Der leider verstorbene Gérard Mortier, dem ich auch meinen ersten "Boris" zu verdanken habe, hatte ihn mir 2015 für Madrid angeboten. 2016 kommt in Amsterdam nun mal der Gurnemanz. Vielleicht wird in ein paar Jahren auch der Sachs ein Thema. Selbstverständlich würden mich Leporello oder Figaro ebenso reizen. Aber als Sänger wird man nicht nur andauernd mit historischen Stimmen verglichen, sondern leider auch gerne in Schubladen gesteckt, etwa ins Wagner- oder Strauss-Fach und kriegt dann kaum Mozart-Angebote. Mir ist es wichtig, dass mein Beruf nie zur Routine wird. Deshalb interessieren mich auch neue szenische Zugänge. Das Hirn muss ebenso gefordert werden.

Sie waren in Ihrer Anfangszeit Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und sind längst freischaffender Sänger. Wo ist heute Ihr Lebensmittelpunkt?

In der Schweiz. Ich habe einige Jahre unter Pereira in Zürich gesungen und bin in der italienischen Schweiz, wo meine Frau herkommt, geblieben. Vielleicht komme ich aber wieder zurück. Auch München, wo ich wahnsinnig gerne bin, wäre eine Option, zumal die Bayerische Staatsoper, das meiner Meinung nach derzeit wahrscheinlich weltbeste Haus, mir immer wieder tolle Aufgaben anbietet. Mir geht es auch darum, Beruf und Familie zu vereinbaren und nicht andauernd nur auf Reisen zu sein.

Haben Sie weitere Pläne für Salzburg oder Bayreuth?

Für Salzburg ist im Moment nichts geplant, in Bayreuth singe ich wieder 2017.

Stört es Sie, dass in der Öffentlichkeit der Fokus mehr auf Tenöre gerichtet ist als auf Bässe?

Ich bin eher dankbar dafür. Wenn ich das mit Fußball vergleiche: Ich spiele lieber defensiv im Mittelfeld oder Verteidiger als Nummer 10 oder Mittelstürmer.

„Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss und Librettist Hugo von Hofmannsthal hat Freitag (18 Uhr) Premiere, am Samstag (19.30) überträgt Ö1 den Mitschnitt. ORF 2 zeigt die Neuproduktion am 18. August um 22.20 Uhr, ORF III am 24. 8. um 20.15.

Franz Welser-Möst hatte zur Einstudierung neun Proben mit den Wiener Philharmonikern – ungewöhnlich viel. „Ein Musiker der Philharmoniker hat zu mir gesagt, man habe seit 1994 (Carlos Kleiber, Anm.) den ,Rosenkavalier‘ nicht mehr so genau einstudieren können“, so der Dirigent. „Die vielen Proben sind auch nötig, um sich in die feinen Verästelungen der Partitur hineinzuarbeiten.“ Verändert wurde für diese Produktion die Position des Orchesters im Großen Festspielhaus. Der Graben sei so hoch wie sonst nie, zusätzlich habe man noch 20 Zentimeter durch eine Extrastufe herausgeschunden. Welser-Möst: „Der ,Rosenkavalier‘ ist ein Konversationsstück. Wenn die Musiker den Text nicht verstehen, dann ist das musikalische Spiel mit den Worten nicht möglich.“ Ungewohnt ist auch die Fassung: Erstmals wurden alle sonst üblichen Kürzungen wieder rückgängig gemacht, auch die vor der Uraufführung 1911 in Dresden der Zensur zum Opfer gefallene pikante Ochs-Erzählung.

Regie führt Altmeister Harry Kupfer.

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