Schönheitswahn und neue Diversität
Diktate wie puppengerechte Körpernormierungen, einhergehend mit einem gesundheitsschädigenden Schönheitswahn, hatten zu Recht heftige Kritik – nicht nur von Feministinnen – hervorgerufen. Denn Barbie auf das echte Leben übertragen wäre eine unfruchtbare, Arthrose-geplagte, kurzatmige Frau mit Spreizfüßen (aufgrund der hochhackigen Schuhe), mit Hüftdysplasie und einem Rückenleiden als Folge der Belastung durch den Atombusen. Puppen mit realistischeren Proportionen und in verschiedenen Hauttönen kamen auf den Markt – und mit diversen Behinderungen. Der Diskurs rund um die Genderfluidness hat zu einer/einem Barbie geführt, die/der kein eindeutiges Geschlecht hat.
Neues Image
Die Hauptdarstellerin des neuen Films, Margot Robbie. entspricht zwar optisch ganz und gar dem ursprünglichen Klischee einer „Barbie-Puppe“.
Die australische Schauspielerin weiß aber sehr geschickt diverse Social-Media-Plattformen – insbesondere TikTok – zu nutzen, um ihre Barbie als Influencerin zu positionieren. Als moderne, berufstätige Frau, die auch in den Chef-Etagen diverser Konzerne gute Figur machen würde und die – so die hoffnungsfrohe Prognose – die Kinokassen weltweit zum Klingen bringt. Sie soll auch ein junges Publikum anlocken, und nicht nur die älteren Semester, die mit Barbie aufgewachsen sind.
14 weitere Filme
Der Glaube an einen durchschlagenden Erfolg hat Mattel, das Unternehmen, dem Barbie bis heute gehört, dazu veranlasst, 14 weitere Filme sowie Streaming-Shows, Videospiele und einen Themenpark zu planen. Robbie betonte, dass gerade die US-Filmbranche den neuen Barbie-Film dringend nötig hat. Denn seit #MeToo gebe es zwar weniger Sexismus, aber die Benachteiligung der Frauen sei definitiv nicht von der Bildfläche verschwunden.
Eine der Frauen, die sich gegen die männliche Dominanz durchzusetzen vermochte, ist die Regisseurin Greta Gerwig.
Sie ist erst die fünfte Frau, die jemals für einen Regie-Oscar nominiert wurde, und die erste (und einzige?) Frau, die ausgerechnet das Feministinnen-Feindbild Barbie zur Kämpferin für die weibliche Gleichstellung macht. Inzwischen hat sich der Barbie-Hersteller Mattel auch in den Kampf für Diversität und Gleichberechtigung eingeklinkt. Er will unter anderem die Transgender-Forschung mitfinanzieren und die Öffentlichkeit mit Kampagnen für das Thema sensibilisieren.
Innere Werte
Folgerichtig geht es im neuen Barbie-Film gar nicht um eine Puppe mit anatomisch bedenklichen Maßen, Shoppingsucht und Luxusvorliebe. Der erste Live-Action-Film blickt hinter die Kulisse der glitzernden Puppen-Welt.
Dort herrscht die erwartbare Regel: Wer nicht hübsch oder perfekt genug ist, wird einfach ausgestoßen. So ergeht es auch der von Margot Robbie verkörperten Plastik-Maid. Erst in der realen Welt lernt Barbie – die sich inzwischen zu einem Menschen aus Fleisch und Blut gewandelt hat – innere Werte und Stärken kennen und schätzen. Auch ihre eigenen.
Dargeboten wird die Geschichte mitsamt der unüberhörbaren Moral von der inneren Schönheit und der Absage an die Äußerlichkeit mit viel Witz und reichlich Selbstironie – vor allem von Ryan Gosling in der Rolle des Ken. Offensichtlich genießt er seine Rolle als ebenso schöner, wie nutzloser Toyboy einer modernen Barbie, die weiß, dass sie selbst über Beruf, Haus und Auto verfügen muss, um sich ihre Fetzen selber leisten zu können.
Von all den diversen, ethnisch wie gendermäßig flexiblen und fluiden Familienmitgliedern, die Barbie inzwischen in den Spielzeugläden umgeben, ist im Film weit und breit nichts zu sehen. Aber dazu sind ja vielleicht die von Mattel angekündigten 14 weiteren Spielfilme gedacht.
Barbie wird auch nach diesem recht unterhaltsamen Film das bleiben, was sie seit Jahrzehnten ist: Eine Phase in einem Mädchenleben und vielleicht einigen Bubenleben. Und sie wird mit dem Erwachsenwerden wie jeder gute Wanderzirkus weiterziehen. Das wird auch dieser Film nicht ändern.
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