Mythos Barbie: Mehr als nur eine Puppe

Barbie lebt! Margot Robbies Promo-Outfits wurden Original-Barbie-Kostümen nachempfunden
Das berühmte Spielzeug kommt ins Kino, und die Welt sieht rosa. Ist der pinke Hype noch zeitgemäß?

Die „Ur-Barbie“ trägt einen schwarz-weißen Badeanzug, die jüngste ein pinkes Westernoutfit. Dazwischen liegen 64 Jahre, unzählige Modelle, noch mehr Kontroversen – und eine Erfolgsgeschichte, die nun im ersten Real-Spielfilm um die blonde Kultpuppe gipfelt. Bereits Monate vor dem Kinostart hat Barbie einen weltweiten Trend ausgelöst: Alleine auf Instagram finden sich 300.000 Beiträge unter dem Schlagwort #barbiecore, wie die pinke Ästhetik im Internet-Jargon heißt.

„Barbie ist mehr als eine Puppe“, erklärt Spielzeugexperte Urs Latus den Hype quer durch alle Altersklassen. „Sie bedient viele Bedürfnisse, ist ein Stück Alltagskultur, Zeitdokument, Mythos. Schließlich sind weltweit Millionen mit ihr groß geworden, und es werden täglich weitere Millionen mit der um sie herum konzipierten Wunderwelt vertraut gemacht.“ Kinder spielen auch heute noch mit Barbie, obwohl sie zwischendurch als verpönt galt: 1,5 Milliarden Dollar Umsatz bescherte das Plastikpüppchen seinem Mutterkonzern Mattel im Jahr 2022.

Mythos Barbie: Mehr als nur eine Puppe

Die erste Barbie und der erste Ken trugen Bademode

Wie sich der spielerische Kontakt mit Barbiepuppen auf das Körperbild der Mädchen auswirkt, war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand von Debatten und Untersuchungen. Kritiker zitieren gerne eine Studie der University of Sussex aus dem Jahr 2006: Damals zeigten Psychologinnen Mädchen Bilderbücher mit Barbie und einer Plus-Size-Puppe und stellten fest, dass die Barbie-Gruppe anschließend unzufriedener mit sich selbst war. Ein weltweites Forscherteam wiederholte den Versuch 2015 und konnte keinen Zusammenhang zwischen Barbie-Spiel und Essstörungen nachweisen.

Das entspricht dem feministischen Gedanken, der Barbies Geburtsstunde vorausging. Ruth Handler, Ehefrau des Mattel-Gründers, wollte eine Puppe schaffen, mit der Mädchen nicht nur die Mutterrolle üben konnten. Sie sollten ihr Namen und Kleider geben, Berufe ausprobieren, ihr Potenzial entfalten. Deshalb blieb Barbie auch offiziell unverheiratet (wenn man von vielen Hochzeiten auf dem Kinderzimmerfußboden absieht).

Weil die Empörung über ihre unrealistischen Proportionen nie abriss, begann Mattel, Barbie vielfältiger zu denken. Heute gibt es die Miniatur-Blondine mit Hüften und Bauch, mit Hörgerät und Rollstuhl, als Astronautin und Präsidentin. Im Frühjahr kam eine Puppe mit Down-Syndrom in die Regale. Und in die Kinderzimmer? „Solche Konzepte bringen Aufmerksamkeit und bedienen individuelle Bedürfnisse. Die nackten Zahlen betrachtet, sind diese Modelle nicht wirklich von Bedeutung. Sie sind Teil einer Marketingstrategie“, sagt Latus.

Der neue Film (er heißt schlicht: „Barbie“) soll die blonde Traumfrau ebenfalls von einer menschlicheren, verletzlichen Seite zeigen (siehe re.). Den damit verbundenen Social-Media-Hype sieht die Soziologin Katrin Döveling, die sich mit Körperbildern und neuen Medien befasst, dennoch kritisch. „Barbie vermittelt immer noch ein Bild davon, wie Frauen zu sein haben“, sagt sie. „Wenn Kinder diesem Schönheitswahn zu sehr ausgesetzt sind, steigt der Druck. Jugendliche können ja nicht einmal mehr ein Selfie auf Instagram laden, ohne einen Filter zu verwenden.“

Mythos Barbie: Mehr als nur eine Puppe

Die aktuelle Barbie im Western-Stil ist pinker denn je

Eltern sollten Barbies nicht aus den Spielzeugkisten verbannen, sondern mit ihren Töchtern und Söhnen – auch Ken bedient ein potenziell toxisches Rollenbild – Gefühle und Ideale reflektieren, sagt Döveling. „Kinder müssen lernen, dass sich ihr Wert nicht über Äußeres definiert.“ Möglicherweise bietet der neue Kinofilm dazu eine gute Gelegenheit. Der Trailer lässt erahnen, dass auch die vermeintlich vollkommene Barbie mit sich hadert. Und Ken nicht weniger maskulin ist, weil er rosa Kleidung trägt.

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