Grado: Wo die Callas auf Liebe hoffte

Grado: Wo die Callas auf Liebe hoffte
Ein neues Buch porträtiert den Sehnsuchtsort und kreist um das magische Grätzl bei den Ville Bianchi

So viele Bücher über den Sehnsuchtsort Grado  gibt es, und die meisten haben   Tipps, wo man – Überraschung! – Fisch essen kann. Solche Bücher machen Appetit auf Kohlrüben, justament.
Aber es hat noch kein Buch über Grado gegeben, in dem man ums Zentrum der gelb gestrichenen Ville Bianchi durch die Jahrzehnte spaziert, ausgiebig und so schön bildhaft.


Hummer im Garten

Da sind die Schwestern Bianchi, die eine hatte ein schlimmes Bein, die andere war fast zwei Meter groß und hatte einen Buckel, beide sind immer schwarz gekleidet und radeln durch Grado. Die Töchter des Barons Bianchi prägten nach dem Ersten Weltkrieg das Stadtbild. Sie hatten das Hotel geerbt … das heutzutage, seit Zug’reiste die Besitzer sind und Gemüse nachts aus der Gegend um Padua ankarren lassen, an Ansehen verliert.
Da ist weiters, sozusagen hinten schräg vis-à-vis, die Villa Reale, in der Mario und Sabine Vianello im Garten Hummer servieren: ausgelöst mit Erdäpfel-Bohnen-Erbsen-Mayonnaise-Salat.
Spaziergang ins Jahr 1900: Lagunenwasser war hier. Das Land musste aufgeschüttet werden. Der Bau der Villa dauerte bis 1911/1912.
Spaziergang ins Jahr 1931: Damals gab es für Urlauber 20 % Ermäßigung, falls es regnete…
Und jetzt ums Eck zur Villa Bernt, einst berühmt für Maskenbälle. Hier wohnten während der „Medea“-Dreharbeiten 1969 die Callas und Pasolini. Szenen  sind überliefert. Maria Callas hoffte, Pasolini möge doch nicht homosexuell sein.
„Glaubst du, er liebt mich?“, so fragte sie in der Villa Bernt eine Freundin.


Whisky am Meer

Das neue Buch „Gusto auf Grado“ ist Porträt eines Ortes, der ganz langsam den Österreichern gezeigt hat, dass Spaghetti und Branzino durchaus genießbar sind.
Eine große Reportage, geschrieben von Andreas Schwarz, Ressortleiter der KURIER-Außenpolitik, und seiner Ehefrau Martha Brinek. Seltsamerweise kam die Idee bei einem Glas Whiskey, trotz Collio – aber immerhin mit Blick aufs Meer.
Adelig waren die Informanten der Autoren, aber auch Stefano gehörte dazu, der über 80-jährige Portier der Villa Reale (der vor allem Schauspieler ist).
Mit Schwimmlehrer Nino Corado war ein Gespräch nicht möglich: Er, der jeden Abend mit einer anderen Touristin stolz promenierte, starb einsam im Altersheim.
Grado ist wie nach Hause kommen. Das Wissen, das in dem Buch steckt, sorgt dafür, dass es noch etwas schneller heimelig wird.

Andreas Schwarz und Martha Brinek:
„Gusto auf Grado“, Amalthea Verlag.
256 Seiten, 25 Euro.

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