Grace Kelly: Kühl war sie nur bei Hitchcock

James Stewart und Grace Kelly am Set von „Das Fenster zum Hof“. Regisseur Alfred Hitchcock schwindelt sich wie immer ins Bild (re.)
Über die Bandbreite der Schauspielerin, die Alfred Hitchcock "wie Meißner Porzellan" inszenierte.

Zunächst ist sie nur als Schatten zu sehen. Lautlos nähert sich Grace Kelly James Stewart, beugt sich über ihn, küsst ihn. Hier sieht man erstmals ihr elfenbeinfarbenes, makelloses Gesicht.

Alfred Hitchcocks Liebesszenen glichen Mordszenen, seine Mordszenen filmte er wie Liebesszenen, schrieb der französische Nouvelle-Vague-Regisseur und Hitchcock-Fan François Truffaut über den Meister der Suspense. Und genau so legte Hitchcock seinen Thriller "Das Fenster zum Hof" an. Die ikonenhaften Bilder, die Hitchcock dafür komponierte, sind jetzt im Bildband "Grace Kelly. Film Stills" zu bestaunen. Hitchcock, schreibt Journalist Thilo Wydra darin, habe Grace Kelly "gemalt".

"Das Fenster zum Hof" war Grace Kellys zweite Zusammenarbeit mit Hitchcock: Mit gerade einmal 24 Jahren wirkte sie "ruhend und ganz bei sich. In den Arbeiten Alfred Hitchcocks ist Grace Kelly angekommen".

Mit ihrem elegant zurückgesteckten Haar, der weißen Perlenkette und dem eigens für sie entworfenen Abendkleid wirkt Kelly wie das Inbild von Anmut und Eleganz. "Hitchcock wollte, dass sie aussieht wie ein Stück Meißner Porzellan," erinnerte sich Edith Head, die renommierte Kostümdesignerin der Paramount Studios, die für "Das Fenster zum Hof" die Kostüme designte.

Head prägte als legendäre Designerin unter anderem das Image von Audrey Hepburn und Marlene Dietrich mit. Grace Kelly aber war ihre Lieblings-Schauspielerin: "Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich von ihrem schönen Gesicht und ihrer perfekten Haltung angetan."

Ostküsten-Schönheit

Grace Kelly: Kühl war sie nur bei Hitchcock
To Catch A Thief (1955) | Pers: Cary Grant, Grace Kelly | Dir: Alfred Hitchcock | Ref: TOC001AV | Photo Credit: [ Paramount / The Kobal Collection ] | Editorial use only related to cinema, television and personalities. Not for cover use, advertising or fictional works without specific prior agreement
"Das Fenster zum Hof" machte Grace Kelly mit einem Schlag zum Medienstar: Das FotomagazinLifebrachte ihr Bild auf dem Cover, das normalerweise für hohe Politiker reserviert war. Doch das kühle Bild, das Hitchcock von ihr zeichnete, war wohl nur ein Ausschnitt dessen, was die ungewöhnliche Persönlichkeit der makellosen Ostküsten-Schönheit aus Philadelphia zu bieten hatte.

Man glaubt, viel über sie zu wissen, hat die Bilder aus Hollywood und Monaco genau vor sich. Zuletzt jene aus der jüngsten, missglückten Verfilmung ihres Lebens: Ausgerechnet Nicole Kidman, 47, spielt darin die 26-jährige Fürstin Gracia Patrizia, die sich ihr Leben als Schauspielerin Grace Kelly zurückwünscht. Die Kritiker langweilten sich, das Fürstenhaus ärgerte sich angesichts des Films "Grace of Monaco", der die Filmfestspiele von Cannes im heurigen Frühsommer eröffnete.

Innerer Konflikt

"Grace of Monaco" sei eine "Verdrehung der Familiengeschichte zu rein kommerziellen Zwecken", wetterten die Monegassen angesichts der Story, in deren Mittelpunkt der innere Konflikt zwischen Fürstin und Schauspielerin steht, die am 14. September 1982 mit 53 Jahren tödlich verunglückte.

Grace Kelly: Kühl war sie nur bei Hitchcock
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Doch dass Grace Kelly der Abschied aus Hollywood nicht leicht gefallen ist, hat nicht erst dieser umstrittene Film aufgedeckt. Ihre Existenz zwischen dem Glamour Hollywoods und dem Leben als Fürstin von Monaco war eine Diskrepanz, unter der sie litt. Ein Jahr vor ihrer von bunten Blättern "Märchenhochzeit" genannten Eheschließung mit Fürst Rainier von Monaco hatte Kelly den Oscar für "Ein Mädchen vom Lande" bekommen – jenem Film, in dem sie nahezu ungeschminkt und unprätentiös gekleidet mit dem überhöhten Image der Hitchcock-Filme bricht.

1956 beendete Grace Kelly mit ihrem elften Film, dem Musical "High Society – Die oberen Zehntausend" ihre Arbeit als Schauspielerin. Ein Titel, der angesichts ihrer privaten Zukunft wie ein Witz klingt. Hier konterkariert sie, stärker als zuvor, das überstrapazierte Attribut der "kühlen Blondine".

"High Society" zeigt sie von einer energetischen und leidenschaftlichen Seite. In ihrer Rolle als (von Bing Crosby!) geschiedene Frau, die bald wieder heiraten soll (einen Langweiler!) erlaubt ihr neben Flirts mit dem Ex auch ein Tête-à-Tête mit einem jungen Reporter – gespielt von Frank Sinatra.

Grace Kelly: Kühl war sie nur bei Hitchcock
Title: HIGH SOCIETY • Pers: KELLY, GRACE • Year: 1956 • Dir: WALTERS, CHARLES • Ref: HIG001BT • Credit: [ MGM / THE KOBAL COLLECTION ]
Kellys selbstbewusste Interpretation der überspannten Society-Tochter Daisy lehnt sich stark an die erste Verfilmung dieser Screwball-Comedy mit Katherine Hepburn an – dem Inbegriff der frühen "starken Frau" und gerade angesichts heutiger Hollywood-Prüderie erstaunlich und erfrischend: Sie ist frech, trotzig und freizügig in Flirts und im Umgang mit Champagner.

Der vorliegende Fotoband zeigt Kelly als ausgelassen tanzende Filmpartnerin, am Klavier mit Louis Armstrong und beim Segeln mit Bing Crosby, mit dem sie mit verträumtem Blick Cole Porters melancholisches Duett "True Love" als Erinnerung an glückliche Tage singt– Kellys einzige Gesangsaufnahme und ihr letzter Drehtag.

Grace Kelly
„I want to be a Queen“ – „ich möchte eine Königin sein“, sagt Grace Kelly als Prinzessin Alexandra in ihrem vorletzten Film, der Adelsgeschichte „Der Schwan“ (1956). Am Ende hält Alec Guinness einen Monolog, der vieles aus ihrem künftigen Leben als Fürstin vorwegnimmt: Sie werde wie ein Vogel sein, der nicht singen und nicht fliegen darf. Als Fürstin von Monaco wird Grace Kelly keinen Film mehr drehen dürfen: 1962 muss sie die Mitwirkung in Alfred Hitchcocks Film „Marnie“, die sie bereits zugesagt hatte, wieder zurücknehmen.

Gracia Patrizia
Grace Patricia Kelly wurde am 12. November 1929 in Philadelphia geboren. Sie wirkte in elf Spielfilmen mit. Erste Erfolge feierte sie 1952 an der Seite von Gary Cooper im Western „Zwölf Uhr mittags“ und 1953 mit Clark Gable in „Mogambo“. Die Rolle der Georgie Elgin im Drama „Ein Mädchen vom Lande“ brachte ihr 1955 den Oscar als beste Hauptdarstellerin ein. Unter der Regie von Alfred Hitchcock spielte sie in drei Filmen: „Bei Anruf Mord“ (1954), „Das Fenster zum Hof“ (1954) und „Über den Dächern von Nizza“ (1955). Nach der Hochzeit mit Fürst Rainier III. von Monaco 1956 trug sie den Titel Princesse Grace de Monaco (Gracia Patricia von Monaco). Sie starb am 13. September 1982 bei einem Autounfall.

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