Einen anderen, nämlich den Nicht-Wohlfühl-Weg, geht in szenischer Hinsicht bekanntlich das Theater an der Wien. Hier werden Werke meist auf ihre heutige Relevanz abgeklopft, hier ist das ach so böse Wort Regietheater (was auch immer das sein soll) wichtiger Teil des Sprachschatzes.
Auch in der Kammeroper, die als Dependance vor allem der Jugend eine Chance gibt, wo auch große Opernstoffe – stets im kammermusikalischen Format – auf die Bühne gehievt werden. Aktuell etwa der „Faust“ von Charles Gounod in einer (naturgemäß etwas ausgedünnten) Orchesterfassung von Leonard Eröd.
Und siehe da: Das Ganze funktioniert – einigen Abstrichen zum Trotz – ziemlich gut. Denn Regisseur Nikolaus Habjan macht genau das, was er kann: Er lässt die äußerst liebevoll gefertigten Klappmaulpuppen tanzen.
Ein Mephisto in Lebensgröße, ein viel kleinerer Faust, ein zu ihm passendes, blondes Gretschen oder eine Marthe, von der nur der Kopf sichtbar ist – Habjan hat den Charakteren auf dem wandelbaren Apsis-Bühnenbild von Jakob Brossmann (Ausstattung: Denise Heschl) das entsprechende szenische Gewicht zugeordnet. Kein Zweifel: In dieser auch heiteren (!) „Opernhölle“ führt der Teufel Regie.
Geführt werden die Puppen von den Sängern und von einem Ensemble rund um Manuela Linshalm; synchrone Mundbewegungen inklusive. Habjan gelingt dabei der Kunstgriff, Puppen mit Puppen, Puppen mit Menschen und Menschen mit Menschen kommunizieren zu lassen. Wobei sich zuletzt Gretchen (Marguerite) von ihrer Puppe emanzipiert. Ihr wird Erlösung zuteil; Faust bleibt hingegen ein Gefangener seines künstlichen Alter Egos.
Das ist in sich stringent, wobei Mephistopheles allen die Show stiehlt. Auch musikalisch, denn Bassist Dumitru Madarasan ist vokal ein toller Teufel, der in dem forcierenden Faust von Quentin Desgeorges leider keinen echten Widerpart findet. Dafür gibt Jenna Siladie eine fabelhafte Marguerite. Kristján Jóhannesson als Valentin, Juliette Mars als Marthe, Benjamin Chamandy (Wagner) und vor allem Ghazal Kazemi als Siebel agieren auf hohem Niveau.
Schade nur, dass Giancarlo Rizzi am Pult des Wiener KammerOrchesters sehr zur Breite neigt. Da ist noch Luft nach oben.
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