Regisseurin Irina Brook inszeniert Shakespeare mit Britten, nicht umgekehrt. Auf die Bühne kommt – erstmals seit 55 Jahren – die schlaue Reader’s-Digest-Version, die der Brite zum Libretto machte. Und die fächert das Spiel um Liebeszauber und Feenreich, um Theater im Theater und Randgebiete des Rationalen so auf, dass sich die eigentlich förderliche „Sommernachtstraum“-Verwirrung in ein superbekömmliches Spiel rund um Traum und Theater auflöst.
Die Schlange schlängelt
Und die Staatsoper sich in eine Kammeroper verwandelt. Der große Bühnenapparat, er darf auch träumen. Der Raum – an den Wänden erobert gerade die Natur den Kulturbau wieder – bleibt über die dreistündige Aufführungsdauer nahezu unverändert. Nichts soll vom rund ablaufenden Spieltheater ablenken: Feenkinder huschen über die Bühne, eine Schlange wird von zwei Puppenspielern zum Schlängeln gebracht, die zauberhaft verwirrten Liebespärchen streiten in Schuluniform.
Und Puck tänzelt, klettert, purzelt in eindringlicher Peter-Pan-Manier durch die Szenerie. Der Akrobat Théo Touvet entfaltet das Bild, das man schon immer von dieser Figur hatte, in einen besonderen Bühnenzauber hinein.
Einmal zieht er, in einem mannshohen Metallreifen, seine Akrobatenkreise über die Bühne, und hier stellt sich jener Zauber ein, den die Szenerie anstrebt.
Wie weit sie den sonst erreicht, das hängt vom Besucher ab. Denn Brook hat keine Freud’ an der Sommernachtstraum-Deutung, sie will das Werk in keine Interpretation zwängen. Lieber erzählt sie, mit sichtlich viel Liebe und Begeisterung, dem Publikum von einer Nacht, bei der wie bei allen Märchen allerlei dunkle Emotion am Rand lauert. Aber so, wie man von so etwas der Mama erzählen würde. Stell dir vor, ich hab von einem Eselmenschen geträumt. Dass der im Traum mit der Saugglocke auf den Hintern zielte, das erzählt man lieber nicht.
Randgebiete
Von all diesen Rand- und Feuchtgebieten weiß die Musik, und unter Dirigentin Simone Young berichtet sie davon. Aus dem Graben werden Ebenen unter und über das Bühnengeschehen gezogen, die das Sein und nicht nur den Schein akzentuieren. Nicht jede Ausdifferenzierung wird dabei erreicht, aber insbesondere die Kinderstimmen werden aus dem Graben auf Händen getragen, und dem Britten-Tonfall nähert man sich auf respektable Weise. Dafür viel Jubel.
So auch für die Sänger, und hier gibt es kaum Einwände: Counter Lawrence Zazzo beeindruckte als Oberon, Valentina Nafornita und Rachel Frenkel gaben der Helene und der Hermia jugendliche Emotion und stimmliches Vergnügen. Der junge Tenor Josh Lovell ließ als Lysander aufhorchen, Rafael Fingerlos als Demetrius komplettierte geglückt das verzauberte Quartett.
Eine Freude auch Peter Rose als Bottom, der sich der Eselslaute nicht erwehren kann – und dann als Zettel vergnüglicher Teil des finalen Handwerker-Theaters-im-Theater ist. Das, hier dann doch wieder ein Einwand, würde so gerne aus dem feinen Outrieren Witz destillieren, es geht ihm aber immer wieder die Luft aus. Der Super-Mario-Look kratzt an der unfairen Klassenpersiflage, Zettel hat eine Klobrille umgehängt, die Thisbe ist eine Frauen-Knallcharge, die Wand kriegt einen Klaps auf den Po, naja.
Hier wird das Lächeln, das einem die Produktion entgegenhält, besonders auffordernd: Alle wissen, dass sie süß sind und hier gerade ein Publikumshit präsentiert wird, und das Lächeln wird so lange gehalten, bis man mitlächelt oder die Wangen schmerzen.
Gemeinsam einsam
Der Test dieses Sommernachtstraums – den jeder für sich selber träumen muss, oder darf – ist vielleicht weniger, zu welch tiefschürfenden Gedanken man sich dabei motivieren kann. Sondern wie weit man sich noch verzaubern lassen will, kann, vom Theater.
Am Schluss entschuldigt sich der Puck – falls die Geister, die da über die Bühne huschten, Anstoß erregt hätten. Aber womit? Es gab ungeteilte Zustimmung.
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