Wenn der Motor aussetzt, bleibt auch sein Herz stehen

Der 44-jährige Gonçalo M. Tavares ist auch Universitätsdozent
Der portugiesische Autor stellt erneut Fragen nach der Bedeutung der menschlichen Existenz.

Es heißt von ihm, er verstehe es, existenzielle Fragen zu stellen. Fragen über Leben und Tod auszuloten.

Eine solche Prämisse kann eine Hypothek für ein Buch sein. Man erwartet viel. Schwer zu sagen, ob das hier eingelöst wird. " Joseph Walsers Maschine" ist ein sehr verstörendes Buch, aber nicht das erste zum Thema "Maschine Mensch".

Über Gonçalo M. Tavares wurde Großes gesagt und geschrieben: "Portugals Kafka" nannte ihn die Zeitung Le Figaro und seit der verstorbene Nobelpreisträger José Saramago ihm 2005 bei einer Preisverleihung ausrichtete, er hätte Lust, ihn zu schlagen, weil man mit 35 Jahren kein Recht habe, so gut zu schreiben – seither wird er als Nobelpreiskandidat gehandelt.

Gonçalo M. Tavares, 44-jähriger Dozent für Erkenntnistheorie an der Universität von Lissabon, ist einer der wichtigsten portugiesischen Gegenwartsautoren. Und er ist unglaublich produktiv. Mehr als 20 Romane und Gedichtbände hat er veröffentlicht, viele davon wurden ausgezeichnet. Bei uns wurde er erst mit seinem Roman "Die Versehrten" bekannt. Darin geht es um einen Arzt, der ist besessen von der Idee, das Übel folge einer inneren Logik. Auch sein neuer Roman "Joseph Walsers Maschine" stellt Fragen zum menschlichen Dasein – ganz, wie es Tavares als Erkenntnistheoretiker gewohnt ist.

Vergleich mit Kafka

In dieser minimalistischen, bedeutungsschweren Parabel wird die Geschichte des Fabriksarbeiters Joseph Walser erzählt, der bei einem Arbeitsunfall seinen Zeigefinger und infolgedessen sein gewohntes Leben verliert.

Die Kafka-Vergleiche liegen auf der Hand. Tavares Erzählton erinnert an Kafkas Satz "Jemand musste Josef K. verleumdet haben", und die Veränderungen, die sein Protagonist durchmacht, klingen inspiriert von "Prozess" oder "Verwandlung". In einer scheinbar zeit- und raumlosen Geschichte – es gibt keine diesbezüglichen Hinweise – erfahren wir, dass ein Krieg ausgebrochen ist. Walser weiß nicht recht, was er dazu sagen soll, "der Krieg war eine Wissenschaft, die er nicht beherrschte".

Wenn der Motor aussetzt, bleibt auch sein Herz stehen

Walser, der mit den Worten "er war ein seltsamer Mann" vorgestellt wird, hat, abgesehen von seinem Desinteresse an Äußerlichkeiten, keine Auffälligkeiten. Er redet wenig und verspürt kein Bedürfnis, "ein bedeutender Mensch" zu sein. Samstags geht er zum Würfel-Abend. Die Würfel geben ihm das Gefühl, seine Existenz in der Hand zu haben. Entscheidungen treffen zukönnen.

Einziger Bezugspartner ist seine Maschine. Er bewundert ihre Mechanismen, oft hält er das Geräusch des Motors für seinen eigenen Herzschlag.

Als er infolge des Unfalls von der Maschine getrennt wird, gerät seine Ordnung aus den Fugen. Denn, das deutet Tavares an, Walser ist wohl selbst Teil dieser Maschine. Schließlich stellt er gleich zu Beginn fest: "Menschen sind Materialien, die denken."

KURIER-Wertung:

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