Als Kaiser Franz Joseph mit einem Nacktfoto von Sisi erpresst wurde
Als Kaiser Franz Joseph am 22. Dezember 1872 in der Hofburg seine Post öffnete, traute er seinen Augen nicht. Denn in einem Kuvert befand sich ein Bildnis seiner Frau. Das Pikante daran: Sisi war splitternackt!
Der Erpresserbrief
Neben dem Foto lag ein Brief, mit dem ein Unbekannter den Monarchen schlicht und einfach zu erpressen versuchte. „An Seine Majestät, den Kaiser von Österreich, Wien“, stand auf dem Kuvert. Dem das folgende Schreiben beigegeben war: „Sire! Ich habe die Ehre, Ihnen eine Photographie Ihrer Frau zu schicken, die zu einer Kollektion gehört, die überall verkauft werden soll. Ich glaube, dass es für Eure Majestät unerfreulich wäre, wenn diese Porträts verkauft würden, und ich habe vom Photographen die Zusage erlangt, dass er die Negative zerbrechen und die Photographien verbrennen würde, wenn binnen 14 Tagen, das heißt bis zum 6. Jänner, zu Handen von Herrn Cattelli, postlagernd Amsterdam, 3000 Francs übersandt werden. Widrigenfalls und wenn versucht würde, die Identität des Photographen herauszufinden, käme eine Anzahl der Bilder sofort in Umlauf, sogar in den Straßen von Wien.“
Die falsche Figur
Das dem Brief beigelegte Foto zeigt eine nackte Frau, die auf einer Lyra spielt. Die Gesichtszüge waren eindeutig als die der Kaiserin Elisabeth erkennbar. Doch der üppige Körper konnte keinesfalls mit Sisis zierlicher Figur übereinstimmen.
Kaiser Franz Joseph war zweifellos geschockt, hatte es doch einen Erpressungsversuch dieser Art noch nie zuvor gegeben. Also leitete seine Hofkanzlei das Bild samt Drohbrief an die k. k. Polizeidirektion Wien weiter, in der man den Oberinspektor Albert Stehling „mit der diskreten Klärung des Falles“ betraute.
Da der Erpresserbrief am 19. Dezember 1872 in Amsterdam aufgegeben wurde, reiste Oberinspektor Stehling sofort nach Holland, wo ihm innerhalb weniger Tage eine kriminalistische Meisterleistung gelang. Fand er doch mithilfe seiner niederländischen Kollegen heraus, dass das Originalfoto der Lyra spielenden Dame „aus einem Karton nackter Frauenzimmer“ des Amsterdamer Fotoateliers van Rooswinkel & Co. stammte. Als Käufer der Bilder konnte der hoch verschuldete holländische Spielzeughändler Josef J. Kievits eruiert werden.
Ein Vergleich des an den Kaiser gerichteten Drohbriefes mit einer Rechnung, die Herr Kievits in seiner Firma handschriftlich ausgestellt hatte, ergab den eindeutigen Beweis seiner Täterschaft, konnte Oberinspektor Stehling Anfang Jänner 1873 nach Wien telegrafieren.
Ehemalige Prostituierte
Es gelang ihm sogar, die Identität der entblößten Dame, auf deren Körper der Kopf der Kaiserin gesetzt worden war, zu lüften. Wie der Kriminalbeamte Stehling am 7. Jänner dem Wiener Polizeidirektor Hofrat von Le Monnier mitteilte, handelte es sich bei der vollschlanken Frau um eine ehemalige Amsterdamer Prostituierte namens van der Ley.
Drohbrief und Rechnung befinden sich heute ebenso in dem Polizeiakt im Haus-, Hof- und Staatsarchiv wie die beiden Fotografien: Sowohl das Originalbild der Frau van der Ley als auch die Fotomontage mit dem Kopf der Kaiserin sind erhalten geblieben. Der Erpresser hatte ein acht Jahre altes Porträt Elisabeths auf den Körper der Prostituierten gesetzt und offensichtlich angenommen, mit dieser plumpen Fälschung den Kaiser von Österreich zu einer Zahlung nötigen zu können.
Wobei sich seine Forderungen in relativ bescheidenen Grenzen hielten. Die verlangten 3000 französischen Francs entsprechen heute einem Betrag von rund 10.000 Euro.
Der Erpresser hatte viel Glück. Um in der Monarchie jegliches Aufsehen zu vermeiden, ließen ihn die österreichischen Behörden wissen, dass er als Täter überführt sei. Doch auf eine gerichtliche Verfolgung wurde verzichtet.
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