Zeiten, Lebenseinstellungen, Wertvorstellungen, nicht zuletzt die Musiklandschaft haben sich verändert. Müßig ist es, mit erhobenem Zeigefinger in der Vergangenheit zu stochern, wichtig ist die Notwendigkeit, daraus die Lehren zu ziehen. Die Musikhistorie hat jedenfalls Geschichten in allen Facetten zum Thema auf Lager.
Schon 1942 hat Mary McCarthy („Sie und die Anderen“) den besonderen Mechanismus erkannt, der im Laufe der folgenden Jahrzehnte das Verhältnis fast ausschließlich männlicher Interpreten zu ihren Verehrerinnen prägte und ständiger Aufreger der Popkultur wurde. Mädchen, die sich einst mit kollektiv auftoupierter Haarpracht vor Frank Sinatra scharten, (noch) verbotene Gedanken, die um Elvis Presleys elastische Hüften kreisten, hysterisch hohe Stimmen, die in den frühen Sechzigern die Musik der Beatles in die Unkenntlichkeit kreischten.
Gegen Prüderie
Und sie wurde immer heftiger, die jugendliche Auflehnung gegen gesellschaftliche Zwänge, die von den Hippies propagierte Aufforderung zur Gewaltlosigkeit und Befreiung des Geschlechtsakts aus der Prüderie. Ewig hallt es im Ohr, das „böse“ Wort, das Country Joe McDonald auf dem Woodstock-Festival zuerst von der Masse buchstabieren und dann brüllen ließ: „F.U.C.K“
Was als Befreiungsschlag begann, wurde zunehmend als Imagepflege der neuen Coolness interpretiert: Sex und Drogen, die Grundvoraussetzung für den Rock ’n’ Roll. Grenzenlos die Bewunderung für jene Vertreter, die den Soundtrack der Hemmungslosigkeit lieferten. Und für viele Bands und ihre Mitglieder wurde die Anzahl der Mädchen, die mehr wollten als nur musikalische Kunst, zum Gradmesser im Ranking der Popularität, die damals vom männlichen Publikum mehrheitlich gefeiert und beneidet wurde.
Mit einem neuen Begriff erstmals intensiv befasst, hat sich der Rolling Stone in einer frühen Ausgabe im Jahr 1969: Groupies. Junge, oft sehr junge Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten auf der Jagd nach ohnehin bereitwilligen, Schamlosigkeit zelebrierenden Stars, die sich nahmen, was sie wollten. Sexismus? Unterdrückung? Zu leise waren die Proteste. Geradezu als Wettstreit der sensationslüsternen Medien verlängerte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte die Ranglisten der mehr oder minder wahrheitsgetreuen „wildesten bis dreckigsten Storys“ der Rockgeschichte.
Die Stones untersagten die Veröffentlichung der ungeschminkten Dokumentation „Cocksucker Blues“. Und 1973 zeichnet ihr Song „Star Star“, der nicht wie ursprünglich geplant „Starfucker“ heißen durfte, das Sittenbild. Ein als zutiefst frauenfeindlich kritisierter Text, oder eine zynische Abrechnung mit einer im Business unerträglich gewordenen Zudringlichkeit, wie Mick Jagger einmal behauptete? Im Buch „Hammer Of The Gods“ beschreibt Steven Davis unbeschreiblich obszöne Praktiken in Led Zeppelins Bandalltag. Oder Frank Zappa, der die Idee zu einer – Groupie-Band (GTO) in die Tat umsetzte. Groupie zu sein, war längst Lebensinhalt und fragwürdige Institution im Business.
Traurige Berühmtheit
Das GTO-Mitglied Pamela Des Barres vertrat die zweifelhafte Ansicht, ihre „prominente Sammlung“ Morrison, Keith Moon, Hendrix, Jagger oder Jimmy Page sei ein Beitrag zur Emanzipation gewesen. Verfilmt wurde das „wilde Leben“ der Uschi Obermaier. Das Leben als Groupie ist auch Inhalt des Streifens „Almost Famous“ (2000). Grenzenlos abstoßend und kriminell wurde es, als Kinder – Baby-Groupies genannt – Teil des Systems wurden. Sable Starr brachte es mit 13 in Los Angeles am Beginn der Siebziger als „Queen Of The Groupies“ zu trauriger Berühmtheit. Starr erlag 51-jährig einem Gehirntumor. Oder das tragische Ende der Beziehung zwischen Sid Vicious und der ermordeten Nancy Spungen. Eine Überdosis verhinderte, dem drogenverseuchten Ex-Bassisten der Sex-Pistols die Tat nachzuweisen.
Das „Groupie“ ist aus dem Sprachgebrauch verschwunden, aus diversen Geschichten über Missbrauch auf der dunklen Seite der Rockmusik noch nicht.
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