Nach Rammstein-Causa: Wie sicher sind junge Frauen auf Festivals?

In diesem Artikel erfahren Sie:
- Was es mit den Vorwürfen gegen den Rammstein Sänger Till Lindemann auf sich hat
- Welche Sicherheitsvorkehrungen für das Nova Rock 2023 getroffen wurden
- Wie ein Netzwerk aus Wien Veranstaltungen sicherer machen will
Zahlreiche Frauen haben in den vergangenen Tagen – teilweise anonym, teilweise öffentlich (zuletzt die deutsche Youtuberin Kayla Shyx) – Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann erhoben. Junge Frauen seien während Konzerten regelrecht gecastet und gefragt worden, ob sie zu einer Aftershowparty kommen wollen.
Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sein. Manche Frauen berichten von Blackouts - womöglich durch die Einnahme von K.-o.-Tropfen ausgelöst. Sie seien am nächsten Morgen in einem Hotelbett aufgewacht, mit zerrissener Kleidung und übersät mit Blutergüssen.
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In einer Stellungnahme von Rammstein hieß es, die Vorwürfe hätten sie sehr getroffen und man nehme sie außerordentlich ernst. „Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt – vor und hinter der Bühne.“
Konsequenzen für Konzerte
Für die anstehenden Konzerte gibt es bereits Konsequenzen. In der sogenannten Row Zero, dem Sicherheitsbereich unmittelbar vor der Bühne, sollen keine Gästegruppen mehr sein. Dort waren seit vier Jahren jeweils am rechten und linken Bühnenrand kleine Gruppen meist sehr junger, häufig auffällig gekleideter Frauen zu sehen.
Außerdem soll es keine zwei Aftershowparties mehr geben. Bisher gab es eine große für Fans und Band, eine kleine für Lindemann und Frauen. Künftig, wenn überhaupt, nur noch eine Feier nach den Konzerten. Für die Konzerte hat die Band ein Awareness-Konzept in Auftrag gegeben.
Dabei sollen Mitarbeiter in Verbindung mit der Security nach Auffälligkeiten Ausschau halten, zudem soll es einen Safe-Space-Bereich geben, in den sich Betroffene zurückziehen können. Aber kann man Großkonzerte und Open-Airs so einfach sicherer und frauenfreundlicher machen?
In Österreich startet mit dem heutigen Tag und dem anschließenden Wochenende die Musikfestivalsaison. Den Auftakt macht das seit 2005 in Nickelsdorf (Burgenland) stattfindende Nova Rock. Der Veranstalter des Rockfestivals, Ewald Tatar, rechnet heuer insgesamt mit bis zu 200.000 Gästen.
Backstagebereich und Partys
Wie geht man beim Festival in Nickelsdorf mit dem Zugang zum Backstagebereich und Fans um, die in Bedrängnis geraten? Aftershow Partys oder Backstagepartys, bei denen Fans alleine mit den Künstlern sind, gäbe es beim Nova Rock nicht, erklärt Tatar. "Wir lassen niemanden in den Backstagebereich, weil wir die Pässe kontrollieren.“
Viele junge Menschen treffen auf reichlich Alkohol und ausgelassene Feierlaune. Wie kann man da für Sicherheit sorgen? „Wir haben zahlreiche Leute, die extra als Ansprechpersonen für die Gäste gekennzeichnet sind, falls es Vorfälle gibt“, erklärt Tatar. Außerdem gibt es heuer – wie bereits in den vergangenen drei Jahren auch – einen „Safe-Satz“ den man den Zuständigen hinter der Bar zurufen kann, wenn man Hilfe benötigt.
"Safe-Satz" für Besucher
Wendet sich also jemand mit dem Satz „Einen Angel Shot bitte!“ an die Bar-Menschen, wüssten diese was zu tun ist. „Sie geben das Problem direkt an das Security-Personal weiter, und diese dann im Ernstfall an die Polizei“, bestätigt der Veranstalter. In den vergangenen Jahren sei dieses Angebot laut Tatar jedoch „nur selten“ in Anspruch genommen worden. Sind die Festivals also bereits sicher genug?
Karin Tonsern ist Veranstalterin und Initiatorin von „Sisters of Music“, einem gemeinnützigen Netzwerk von und für Frauen, die in der Veranstaltungsbranche arbeiten. Ein Projekt von Tonsern nennt sich „Sisters on Site“.
Dabei werden Veranstaltungen auf Sicherheit und Awareness evaluiert. Speziell für Besucher und Veranstaltungsmitarbeiterinnen mit dem Schwerpunkt sexuelle Belästigung und Gewalt bei Veranstaltungen. „Wir werden von einem Veranstalter beauftragt. Wir mischen uns dann unter die Besucher und evaluieren verdeckt“, erklärt Tonsern.
Ganzheitliche Konzepte fehlen
Häufig, so die Veranstalterin, fehle es an einem ganzheitlichen „Awareness-Sicherheits-Konzept“. Man überlege sich zwar Maßnahmen, die zur Sicherheit der Besucher beitragen sollen, was dann aber mit Täterinnen oder Tätern konkret passiert, stünde nicht im Konzept. Für betroffene Personen sei es aber wichtig, bereits im Vorfeld zu wissen, dass ihnen nicht nur geholfen wird, sondern dass ihre Meldung auch zu Konsequenzen führt.
Einen großen Einfluss hätten aber auch die Bands und Künstler selbst, die auf den Veranstaltungen spielen, erklärt Tonsern. „Stichwort: Deutschrap. Da werden häufig frauenfeindliche Texte propagiert.“ Ein Punkt sei auch, wie divers Line-ups gestaltet werden. Welche Personen möchte man damit ansprechen? „Es geht auch darum, dass sich das Publikum im Line-up widerspiegeln kann.“
Frauen sucht man vergeblich
Ein Blick auf das Line-up des Novarock 2023 zeigt jedenfalls keine Diversität. Slipknot, Disturbed, Rin, Ska-p und Materia – in den Headliner-Bands sucht man nach Frauen vergeblich. Letzterer, Materia, musste sich in den sozialen Netzwerken vor kurzem erst selbst wegen Gewaltvorwürfen rechtfertigen.
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