"Eine kostbare Perlenkette, die musikalisch nicht reißen darf"

Sebastian Kohlhepp singt die Titelpartie in Brittens "Albert Herring" an der Wiener Volksoper.
Gerrit Prießnitz leitet am Samstag die Premiere von Benjamin Brittens "Albert Herring".

2013 stand er noch im Schatten der beiden Giganten Verdi und Wagner. Und das, obwohl auch Benjamin Britten ein Jahresregent war. Galt es doch, an den 100. Geburtstag des britischen Komponisten zu erinnern. Quasi als "Nachtrag" zu diesem von vielen Häusern eher verschlafenen Jubiläums zeigt die Wiener Volksoper am kommenden Samstag Brittens 1947 uraufgeführte Kammeroper "Albert Herring". Die bereits in Innsbruck erprobte Inszenierung stammt von Brigitte Fassbaender; am Pult des hier nur zwölf Mann starken Orchesters steht der deutsche Dirigent Gerrit Prießnitz.

Echtes Handwerk

Prießnitz, der nicht nur an der Volksoper viele Werke des 20. und 21. Jahrhunderts dirigiert hat, sieht sich selbst nicht als Experte für diese Musik. Denn: "Ich finde Spezialisierungen in der Kunst und in der Musik generell nicht gut. Die ergeben sich im Laufe eines Lebens ohnehin von selbst. Man merkt bald, dass man zu diesem oder jenem Komponisten einen besonderen Zugang hat. Als Dirigent sollte man in allen Stilrichtungen das Handwerk draufhaben."

Geholfen haben Prießnitz dabei sein Lehrer, der Dirigent Dennis Russell Davies, und die vielen Jahre im Fixengagement an der Volksoper: "Durch mein Studium am Salzburger Mozarteum und bei Dennis Russell Davies ist für mich modernere Musik etwas ganz Normales. Ich bin damit künstlerisch aufgewachsen."

Gute Schule

Und zu seinem breiten Repertoire meint Prießnitz: "In meiner fixen Zeit an der Volksoper – das war immerhin von 2006 bis 2013 – habe ich mir das gesamte Repertoire erarbeiten können. Das war eine sehr gute Schule, für die ich dem Haus extrem dankbar bin. Ich durfte hier ja alles dirigieren. Von Mozart, Puccini und Strauss über den gesamten Operetten-Kanon bis hin zu Henze, Krenek oder jetzt eben Benjamin Britten."

"Eine kostbare Perlenkette, die musikalisch nicht reißen darf"
Volksoper
Doch wo liegen die Herausforderungen bei Britten? "In ,Albert Herring‘ rechnet Britten ja mit der Spießigkeit und Pseudo-Tugendhaftigkeit in einer fiktiven Kleinstadt ab. Dazu zeigt er die nicht ganz freiwillige Emanzipation des Titelhelden von seiner Mutter. Es ist extrem wichtig, dass das Publikum den Text versteht. Außerdem gibt es in dem Werk viele Vokalensembles, an denen wir intensiv gearbeitet haben. Diese Oper ist wie eine kostbare Perlenkette, die musikalisch nicht reißen darf."

Und was kommt nach "Albert Herring"? "Ein ,Fidelio‘ im Amsterdamer Concertgebouw, Henzes ,Pollicino‘ an der Wiener Staatsoper, danach Konzerte und weitere Engagements in Hamburg sowie in Wien am Ring und am Gürtel. Außerdem erscheint im März eine CD, über die ich mich sehr freue. Mit dem Tenor Klaus Florian Vogt und dem Münchner Rundfunkorchester haben wir unter dem Titel ,Favorites‘ diverse Nummern aus Operette und Musical eingespielt. Bis zu ,Les Misérables‘. Das hat großen Spaß gemacht. Denn ich kenne keine musikalischen Berührungsängste."

www.volksoper.at
www.gerrit-prießnitz.de

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