Gerhard Richter geht in Pension: Kirchenfenster "letzte Werknummer"

Gerhard Richter geht in Pension: Kirchenfenster "letzte Werknummer"
Der 88-Jährige - ab Oktober auch mit einer Ausstellung in Wien präsent - betrachtet sein umfassendes Werk als abgeschlossen.

Für den Künstler Gerhard Richter (88) sind die drei großen neuen Kirchenfenster im Kloster Tholey im Saarland voraussichtlich sein letztes großes Werk. „Das ist sicher meine letzte Werknummer“, sagte Richter in Köln der Deutschen Presse-Agentur. Er habe ein Verzeichnis für all seine Werke. „Das fängt mit “Tisch„ als Nummer eins an. Und die Fenster haben Nummer 957. Ja. Aus.“

Dass er später noch große Malereien mache, glaube er nicht. „Kann ich mir nicht vorstellen. Da müsste ja ein Wunder geschehen.“ Wenn er jetzt noch was mache: „Dann zeichne ich nur und mache Entwürfe für Ausstellungen. Kleinere Sachen.“

Mit der Umsetzung seiner Kunst auf den neuen Chorfenstern für die Abteikirche in Tholey sei er „sehr zufrieden“. „Ich bin erstaunt. Ich hätte mir das nicht träumen lassen, dass das so gut geht“, sagte Richter. Zur Enthüllung der drei großen Kirchenfenster am Donnerstag werde er nicht vor Ort sein. Er habe aber Fotos von dem Einbau der Chorfenster gesehen.

Gerhard Richter geht in Pension: Kirchenfenster "letzte Werknummer"

Richter hat bereits einmal, 2007, ein Kirchenfenster im Kölner Dom gestaltet - die Arbeit besteht aus 11.500 Glasquadraten in 72 Farben, die Teils zufällig, zum Teil dem architektonischen Kontext entsprechend angeordnet wurden. Basis des Entwurf war das Werk "4096 Farben" aus dem Jahr 1974.

Für die Benediktinerabtei Tholey diente nun Künstlerbuch „Patterns“ als Grundlage.  Der Künstler entwickelte die bunten Formen und Muster auf der Grundlage eines abstrakten Bildes durch wiederholtes Teilen und Spiegeln.

Die Vielgestaltigkeit von Richters Werk, das von abstrakten bis zu fotorealistisch gemalten Bildern reicht, begründete seinen Ruf als einer der wichtigster Maler des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. In die Schlagzeilen geriet Richter zuletzt aber vor allem durch die enorm hohen Preise, die seine Bilder bei Auktionen erzielten - eine Entwicklung, die der Künstler selbst gar nicht guthieß.

Kirche und Markt

Vor allem die großformatigen abstrakten Bilder der 1980er Jahre, in denen Richter durch Abziehen der Farbe mit einem Rakel-Werkzeug komplexe Schichtungen erzeugte, gelten am Markt als begehrt. Wie der Branchendienst Artnet  zuletzt analysierte, erzielten insgesamt 25 Richter-Gemälde Preise von über 20 Millionen US-Dollar, 19 davon waren den "Abstrakten Bildern" zuzuordnen. Den Rekord hält ein Werk von 1986, das 2015 bei Sotheby's 30,4 Millionen Pfund (xx Mio. Euro ) einbrachte und Richter damit zum teuersten lebenden europäischen Künstler machte. International hält diesen Titel derzeit Jeff Koons.

Gerhard Richter geht in Pension: Kirchenfenster "letzte Werknummer"

Wertsteigerung bei Essls Wolken

Das teuerste Nicht-Abstrakte Bild Richters, "Domplatz, Mailand", wurde 2013 um 37 Millionen US-Dollar versteigert. Vor dem Boom der Abstrakten Werke waren die altmeisterlichen Motive bei Sammlern eher beliebt. Die Sammlung Essl in Klosterneuburg nannte einst ein Bild aus der Wolken-Serie ihr eigen - im Zuge der Finanznöte des Sammlers wurde dieses aber 2014 bei Christie's verkauft - bei einem Hammerpreis von 5,5 Mio. Pfund musste der Käufer damals inklusive Prämien 6,2 Millionen Pfund (7,92 Millionen Euro) berappen.

Vor kurzem - am 28. Juli 2020 - kam dasselbe Bild bei Sotheby's schon wieder zur Auktion, als Eigentümer wurde "eine wichtige Privatsammlung, USA" genannt. Das Werk erzielte 10.449.000 Pfund (rund 11,5 Mio. Euro), also eine schöne Wertsteigerung.

Saarland - New York - Wien

Die Glasfenster, die am Donnerstag in Tholey enthüllt werden, hat Richter der Benediktinerabtei St. Mauritius geschenkt. Tholey gilt mit der urkundlichen Ersterwähnung im Jahr 634 als ältestes Kloster Deutschlands. Im New Yorker Metropolitan Museum, dessen große Richter-Retrospektive durch die Corona-Pandemie vorzeitig schließen musste, bleibt nun die "Birkenau-Serie" bis Jänner ausgestellt - ein Schlüsselwerk, in dem sich Richter anhand von KZ-Fotos mit Fragen der Darstellbarkeit auseinandersetzte. Am 30. September eröffnet dann das Kunstforum Wien seine Schau "Gerhard Richter: Landschaften". Wer an der auf einen ganzen Tag ausgedehnten Eröffnung teilnehmen möchte, kann sich schon jetzt ein Zeitfenster buchen.

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