„Das Entscheidende ist, die Sprache eher als Symptom wahrzunehmen“, sagt Hochleitner. „Man verwendet bestimmte Worte und beweist damit sozusagen seine Gegenwart. Man spricht nicht mehr von ,Arbeit’ und ,Werk’ sondern nur mehr von ,Praxis’ und ,Produktion’, Themen werden nicht mehr diskutiert und erörtert, sondern nur noch ,verhandelt’: Wenn ich diese Sprache spreche, beweise ich oft auch ein Problembewusstsein“, sagt er.
Wie Hochleitner mit Studierenden herausarbeitete, ist die „Sprache, die wir sprechen, wenn wir über Kunst sprechen“ (so der Buchtitel) höchst aussagekräftig für die jeweilige Epoche, in der sie gesprochen wird – generelle Trends der Zeit bilden sich in ihr ab, aber auch der Wortschatz von Personen oder Institutionen, die in der Kunstwelt etwas zu sagen haben.
„Sie werden in den 1980er Jahren Begriffe wie ,System’ ,Speicher’, ,vernetzen’, ,Display’ oder ,Format’ nicht finden. In den 90ern geht das mit der zunehmenden Nutzung von Computern voll los“, erklärt Hochleitner. „Da reflektiert man plötzlich die Kunst selbst als Betriebssystem, es gibt viele Künstlerinnen und Künstler, die sich damit beschäftigen.“
Darin, dass die Sprache des Kunstbetriebs ihre Trend-Begriffe kennt und sich ständig wandelt, unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der Jugendsprache und anderen Jargons. Anders als diese trifft sie aber oft auf eine „fast aggressive Ablehnung“, wie der Kunsthistoriker nicht ohne Bedauern konstatiert. Das gelte besonders für Debatten, die vom relativ überschaubaren Bereich der Kunstakademien und Universitäten in ein breiteres Forum durchgesickert sind, allen voran die „Gender Studies“ und der daraus resultierende Kampf ums Gendersternchen.
„Natürlich gibt es in der Kunst ein hohes Bewusstsein für politisch korrektes und gesellschaftlich sensibles Verhalten, und es ist eine Form, in die verschiedene Disziplinen hineinspielen“, führt Hochleitner aus.
Dass die Sprache des Kunstbetriebs sich selbst als inklusiv gibt, gleichzeitig aber eine „Diskursgemeinschaft“ heranbildet und dabei Nichteingeweihte ausschließt, ist aber ein Problem, das oft zu Frust oder offener Geistfeindlichkeit führt.
„Trump hat mit seinem Populismus genau da angesetzt“, sagt Hochleitner mit Blick auf die größere Verwerfung, die sich auch abseits der Kunst etwa in der Aufarbeitung von Rassismus und Kolonialismus bemerkbar macht. „Es ist eine Riesen-Aufgabe, dass man da nicht große Teile der Gesellschaft irritiert, verstört, aber auch verliert.“
Hochleitner, der betont, sein Buch nicht als Sprachwissenschafter, sondern aus einer sehr individuellen Perspektive heraus verfasst zu haben, bietet keine einfache Lösung an – nur den Appell, ständig zu vermitteln und im Gespräch zu bleiben: „Wir können das Rad nicht zurückdrehen, es wird immer komplexer.“
Der Kunsthistoriker verweist auf die Bemühungen des Salzburg Museums, Texte in „Leichter Sprache“ zu verfassen: Bei der Landesausstellung 2016/’17 wurde erstmals systematisch versucht, neben anderen Maßnahmen zur Barrierefreiheit auch die sprachliche Ebene nach Kriterien größtmöglicher Verständlichkeit zu gestalten.
Wie eine begleitende Studie, bei der die Augenbewegungen von Besucherinnen und Besuchern aufgezeichnet wurden, ergab, kam dabei die Leichte Sprache nicht nur bildungsfernen Menschen entgegen. „Unabhängig vom Bildungshorizont haben die Menschen ab einem bestimmten Raum nur mehr die Leichte Sprache gelesen“, erzählt der Museumschef.
Ohne Fachtermini über zeitgenössische Kunst zu sprechen, sei möglich und auch wichtig, findet Hochleitner. Doch gerade im Vergleich der Fachsprache mit jener der bloßen Information verbirgt sich Erkenntnis: Über die verschiedenen Anliegen der Kunst, ihre Funktionen, ihre Selbstdefinitionen und das wechselnde Personal der Wortführer*innen.
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