"Washington Post"-Chefredakteur: Social Media ändert journalistischen Tonfall
Es ist schwierig heute für traditionelle Medien - „aber nicht unmöglich“, das ist das Credo von Martin Baron, Chefredakteur der „Washington Post“. Beim internationalen Kongress GEN Summit in Wien berichtete er am Donnerstag, wie sich das Traditionsblatt seit der Übernahme durch „Amazon“-Gründer Jeff Bezos neu orientiert.
IT nimmt tragende Rolle ein
Geschwindigkeit und Technologie seien Schlüsselfaktoren für den Erfolg in der digitalen Medienwelt. Techniker und Programmierer seien in der „Washington Post“ keine Dienstleister für die Redaktion, sondern vielmehr „Bürger erster Klasse“ im Medienhaus, das eine Evolution Richtung „Technologie-Unternehmen“ vollziehe. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Redakteuren und IT sei die Voraussetzung dafür, den Content für die verschiedenen Plattformen aufzubereiten.
Social Media ändert Tonfall des Erzählens
Denn nicht nur „das Internet“ sei ein völlig neues Medium. Mit Snapchat, den „sozialen“ Plattformen, Apps, Podcasts und vielem mehr hätten Journalisten heute ständig neue Ausspielkanäle für ihre Geschichten zur Verfügung. Sie müssten aber medienadäquat denken. Der Tonfall des journalistischen Erzählens etwa werde salopper, authentischer, die Stimme des Autors hörbar, Dialog stehe im Vordergrund.
Speed entscheidend: "User sind ungeduldig"
Geschwindigkeit ist technisch und redaktionell ein Gebot der Stunde, war Baron überzeugt. Homepages müssten schnell laden - „die User sind ungeduldig und schnell wieder weg“. Im Newsroom der „Post“ gibt es nun keine Stunde mehr, an der nicht Journalisten Meldungen anderer Medien zusammensuchen und aufbereiten, selbst schreiben und alle Kanäle bedienen: „Keine Todeszonen“, nannte das Baron. „Immer der erste sein“ sei das Motto, auch Video dabei ein entscheidender Faktor.
Sinnstiftendes Journalismus "Seele" des Medienhauses
Bei allem Zug nach vorn ändere sich aber eines nicht in der „Washington Post“, und diese Devise habe Bezos selbst vorgegeben: Kern des Unternehmens, „die Seele“, sei stets sinnstiftender Journalismus. „Missionare machen das bessere Produkt“, sei die Überzeugung. Erst recht, seit der US-Präsident Donald Trump seinen „Krieg gegen die Medien“ erklärt hat. Darauf reagiere die „Washington Post“ mit „ehrlicher, rechtschaffener, unabhängiger“ Berichterstattung. „Der Präsident ist vielleicht im Krieg, aber wir sind es nicht. Wir sind bei der Arbeit.“
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