In den internationalen Fußballligen diskutiert man über Geisterspiele, um die Meisterschaften trotz der Corona-Pandemie fortsetzen zu können. In der Kultur aber sind Geisterkonzerte längst schon Realität. Da alle Opern- und Konzerthäuser geschlossen sind, muss man erfinderisch sein. Auch in der Welt der klassischen Musik.
ORF III war sehr erfinderisch und hat unter dem Motto „Wir spielen für Österreich“ gemeinsam mit der Wiener Staatsoper, der Wiener Volksoper und den Vereinigten Bühnen Wien ein neues Format kreiert – das Geisterkonzert der Weltstars. Zum Auftakt war im Wiener RadioKulturhaus das Haus am Ring an der Reihe. Etliche Künstler waren live vor Ort, andere wiederum sangen von zu Hause aus oder auch unter Bäumen.
Was also sah und sieht, hörte und hört man – die Sendung ist auf der ORF-TVthek weiter abrufbar und soll um die Welt gehen – bei „Wir spielen für Österreich“? Antwort eins: Einen traurig leeren Sendesaal, fünf (ein Pianist, ein Streichquartett) auf der Bühne wohl auch aufgrund der Distanzen seltsam verloren wirkende Musiker.
Und man sieht die Topstars der Klassik, wie sie unter der gewohnt kundigen Moderation von Barbara Rett durch den Mittelgang auf die Bühne kommen und nach vollbrachter Gesangsleistung im Stillen wieder zurückgehen. Ganz ohne Applaus, ohne Jubel, ohne Blumen, ohne Ovationen – das ist schmerzhaft!
Virtuelle Ovationen
Denn sehr viel Applaus, Jubel, Blumen und Ovationen hätten sich alle Beteiligten mehr als verdient. Womit wir auch schon bei Antwort zwei wären. Man hörte (und hört) einige der wohl schönsten Stimmen aller Zeiten, immer mit einem (neu und gut arrangierten) Klassikhit sowie einer Rarität. Letztere meist in Liedform. Und man sah (und sieht) vokale Videobotschaften von Künstlern, die nicht in Wien sein können.
Tenor Juan Diego Flórez aber ist Wien, singt demnach im RadioKulturhaus live eine Arie aus Giuseppe Verdis „I lombardi alla prima crocata“ und Franz Schuberts „An die Musik“. Beides betörend. Valentina Nafornita legt mit der „Juwelenarie“ aus Gounods „Faust“ sowie einem Lied von Rachmaninow virtuos nach.
Tomasz Konieczny begeistert mit Gershwins „Embraceable You“, einem Lied von Stanislaw Moniuszko und appelliert danach an die Politik und die Intendanten, freischaffende Künstler nicht im Stich zu lassen. „Zeigen Sie Größe!“ Unpolitisch gibt sich Elena Maximova mit der Arie der Muse aus „Hofmanns Erzählungen“ von Offenbach und einem Lied von (wieder) Rachmaninow.
Dann wird Piotr Beczala aus seinem Bauernhof in Polen zugeschaltet. Dort hat er zwar kein Klavier, aber die passende Musik und seine Jahrhundertstimme, für die Arie „Amor ti vieta“ (Giordano). Bassist Jongmin Park spendet daraufhin live Trost mit Tosti und einem Lied aus seiner Heimat Südkorea.
Vogelgezwitscher
Es folgen per Zuspielung Heldentenor Andreas Schager (an der Gitarre) mit Ehefrau Lidia Baich an der Geige und mit dem Hit „You’ll Never Walk Alone“, gesungen unter einem Baum in Niederösterreich und mit Vogelgezwitscher als Background-Vocals.
Zum Finale wird es wieder klassisch: Yusif Eyvazov singt Donizettis „Una furtiva lagrima“ (aus dem „Liebestrank“) und eine Tosti-Canzone – beides schön. Dann hat Ehefrau Anna Netrebko mit einem Schlaflied (wieder Rachmaninow!) und dem Hit „Mattinata“ einen überragenden Auftritt. Aus München grüßt noch Jonas Kaufmann mit Pianist Helmut Deutsch und Hermann Leopoldis „Kleinem Café in Hernals“. Zuletzt noch ein Duett: Anna und Yusif singen „Non ti scordar di me“, also „Vergiss mich nicht“. Keine Angst. Das wird nie passieren!
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