Der „Farbklang“: Das ist jener Sinneseindruck, der über die Augen unser Gehirn erreicht und eine emotionale Resonanz auslöst, die mit jener auf Töne, Tonfolgen oder Akkorde vergleichbar ist: Bedrückend oder erhebend, heiter oder düster, wärmend oder kühlend.
Ben Willikens benutzt den Begriff häufig, wenn er über seine Bilder spricht. Der deutsche Maler, vor Kurzem mit einer großen Schau in der Albertina gewürdigt, nutzt seit geraumer Zeit ein konstantes Repertoire: Grau, Blau, Schwarz, Weiß ist die Palette, mit der er in seiner Serie „Orte 2“ Interieurs mit belasteter Geschichte darstellte, allen voran Hitlers einstige Residenz am Obersalzberg.
In Willikens’ Salzburger Stam,mgalerie, jener von Nikolaus Ruzicska, findet diese Serie nun zugleich einen Abschluss und eine Fortsetzung: Ein zentrales Bild der aktuellen Ausstellung (bis 30. 8.) zeigt das ausgebrannte Panoramafenster des Berghofs, ein Bild nach der Befreiung 1945 diente als Vorlage dafür.
Aus dem Fenster
Repressive Architekturen sind ein wiederkehrendes Motiv in Willikens’ Werk, das inhaltlich einer strengen Logik folgt und formal mit glatten Flächen und scharfen Konturen die Nüchternheit zelebriert. Dass im Spätwerk die grauen Mauern und Fenster bröckeln und den Blick nach außen freigeben – in einen mit lockerem Strich gemalten Himmel, in den sich gar ein Sonnengelb mischt – ist also aussagekräftig. Ebenso der Umstand, dass Willikens nun Skizzen aus seinem Frühwerk als Ölgemälde im Grau-Blau-Weiß-Modus neu „vertont“: In den 1970er-Jahren hatte der Künstler einen psychischen Zusammenbruch erlitten, sich in eine Anstalt einweisen lassen und die „Therapiemethoden“ jener Zeit erlebt. Die Möglichkeit, die Motive von damals nun neu zu malen, ist auch ein Zeugnis einer spät erlangten Freiheit: „Ich stehe heute nicht mehr unter dem Druck der Aufarbeitung der eigenen Biografie“, sagt Willikens.
Der Baumeister der Farbflächen
Auch bei Sean Scully, der anderen großen Malerperson des Salzburger Kunstsommers, gibt es Resonanzen der Biografie im malerischen Werk: So waren die Grautöne, die die abstrakten Bilder des gebürtigen Iren über lange Phasen kennzeichneten, eine Reaktion auf den frühen Tod seines ersten Sohnes gewesen, erklärte der Maler 2019, als er in der Albertina, eine ebenfalls biografisch motivierte Serie präsentierte.
Die Ausstellung neuer Arbeiten in der Galerie Ropac (bis 24. 9.) ist demgegenüber von warmen Gelb- und ruhigen Grüntönen dominiert, kombiniert in einer Weise, die vordergründig zwar immer ähnlich wirkt, dann aber doch durch Schichtungen, Überlagerungen und Auslassungen einen unglaublichen Variantenreichtum zulässt. Auch wenn der Galerie-Begleittext diverse Inspirationsquellen wie romantische Landschaftsgemälde oder mexikanische Gebäude nennt, liegt der Zauber doch in der Abstraktionsleistung. Die Analogie zu Akkorden und „Farbklängen“ liegt bei Scully ganz offensichtlich nahe, ebenso wie der Satz des britischen Theoretikers Walter Pater (1839 – ’94), wonach jede Kunst ständig den Zustand der Musik anstrebe.
Und dann: Punk!
Wenn Scully dabei der Romantiker und Willikens der kühle Minimalist ist, ist Franziska Maderthaner ein Punk: Die Österreicherin, für ihre Überblendungen von abstrakten Farbschüttungen und altmeisterlicher Feinmalerei bekannt, zeigt in der Galerie Trapp in der Griesgasse neue Arbeiten (bis 10. 9.)
Auffallend dabei: In keinem der Werke sind menschliche Figuren zu sehen, statt dessen Wölfe, Schafe und Autowracks – ein Umstand, der auf die Isolation der vergangenen zwei Jahre anspielt, die die Künstlerin in ihrem Waldviertler Atelier verbrachte. Tatsächlich aber ist es keine Wald- und Wiesenmalerei, sondern eine gewitzte Montage, die das Romantische ins Schrille überdreht. Die Malereiorgel gibt also in Salzburg laute Töne von sich – und sie braucht gar kein Festspielhaus dazu.
Mit einer Gruppenschau feiert die Galerie Frey am Erhardplatz ihr 10-jähriges Bestehen. Bis 3. 9.
Die Galerie L.art in der Linzergasse kombiniert Jakob Gasteiger mit Dorothee Golz. Bis 17. 9.
Die Dependance der Galerie Sturm & Schober am Kapitelplatz zeigt u.a. Werke von Inge Dick und Nina Rike Springer. Bis 8. 9.
Bei Sophia Vonier in der Philharmoniker-Gasse eröffnet am 6. 8. eine Solo-Schau von Julia Haugeneder.
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