Kafkas letzter Blick

Kafkas letzter Blick
Franz Kafkas Sterbehaus ist wieder zu besichtigen.

Es ist nicht überliefert, wie oft Kafka hier gestanden ist und in den Wienerwald geschaut hat. Der Balkon, auf dem er das getan hat, ist heute privat bewohnt. Außer dem Wienerwald sieht man hier nun eine Hofer-Filiale.

Nicht die einzige Trivialität in diesem für Kafka-Fans sagenumwobenen Ort, an dem der Prager Schriftsteller seine letzten Tage verbrachte. Kurz, bevor man das Kierlinger Sterbehaus Franz Kafkas erreicht, rückt ein bemerkenswertes Schild ins Blickfeld des Autofahrers: "Tischlerei Kafka". Ein Verwandter? Die Hommage eines Handwerkers?

Tatsächlich ist es ein kurioser Zufall, dass es ausgerechnet hier im Sterbeort des berühmten Schriftstellers einen Tischlerei-Betrieb gleichen Namens gibt. Ein Zufall, den man zu nutzen wusste: Tischler Kafka hat einen Teil der Innenausstattung des nun wiedereröffneten Kafka-Museums in Kierling gefertigt.

Tuberkulose

Am 19. April 1924 bezog der unheilbar an Kehlkopftuberkulose erkrankte Franz Kafka ein Zimmer mit Balkon und Gartenblick im Sanatorium Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg. Seine Lebensgefährtin Dora Diamant bewohnte ein Gästezimmer, sein Freund Max Brod besuchte ihn hier ein letztes Mal. Am dritten Juni 1924 starb Franz Kafka.

1983 gründete die Österreichische Franz-Kafka-Gesellschaft einen Gedenkraum im Sterbehaus des Schriftstellers. Mit zuletzt enden wollendem Erfolg. Kritiker sprachen von Lieblosigkeit.

2009 übernahm die Österreichische Gesellschaft für Literatur die Agenden der Kafka-Gesellschaft. Ambitionierte Projekte wie die Wiedereinführung des von 1979 bis 2001 verliehenen Kafka-Preises (Preisträger waren u. a. Peter Handke, Elias Canetti und Marianne Fritz) oder der ebenfalls bis 2001 durchgeführten internationalen Symposien wurden angedacht. Doch die Neuaufstellung geriet bald ins Stocken. "Drastische Kürzung von Förderungen" seien der Grund gewesen, so Präsident Manfred Müller. Nun gelang der Neustart. Rechtzeitig zum 90. Todestag Kafkas hat die Franz-Kafka-Gesellschaft die Räume grundlegend neu gestaltet. Ein Raum birgt eine Bibliothek, einer eine Ausstellung zu Kafkas letzten Lebensmonaten. Das Ausstellungskonzept von Charlotte Spitzer und die Gestaltung von Michael Balgavy soll alle Kafka-Interessierten ansprechen, gleich welchen Alters und Bildungsstands.

Und das tut sie. Unter anderem mit einem "Zettelluster", auf dem Kafkas sogenannte "Gesprächsblätter" nachzulesen sind. Mit ihnen verständigte sich der Kranke, dem man eine Schweigekur verordnet hatte. Es sind Miniaturen aus Tristesse, schwarzem Humor und Alltag. Pragmatische Feststellung: "Das Schlechte soll schlecht bleiben, sonst wird’s noch schlechter" und zarte Hoffnung: "Wo ist der ewige Frühling?"

Info: www.franzkafka.at

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