Das Kuratorenduo der Ausstellung „Unknown Familiars“ im Leopold Museum hatte also ein schwieriges Territorium zu beackern: Denn die „Vienna Insurance Group“, die auch ein langfristiger Sponsor des Museums ist, umfasst nicht nur eine Firmensammlung, sondern vier – die Gesellschaften in Österreich, Tschechien, Serbien und Lettland haben jeweils eigene Bestände angehäuft, mit verschiedenen Schwerpunkten und einer mal längeren, mal kürzeren Historie. Und wenngleich ein paar Aushängeschilder dabei sind – Oskar Kokoschkas politkritisches Hauptwerk „Anschluss – Alice im Wunderland“ von 1942 hing schon zuvor als Dauerleihgabe in der Schausammlung – so besteht der Großteil der Werkauswahl doch aus weniger bekannten, fürs hiesige Publikum teils auch obskuren Namen.
Dank einer gewitzten Ausstellungsarchitektur und einem klugen Arrangement ist die Sammlungsschau im Untergeschoß des Leopold Museums dennoch eine anregende, erhellende Sache. Philippe Batka und Vanessa Joan Müller setzten dafür in den einzelnen Räumen jeweils zeithistorische und geografische Schwerpunkte, die immer wieder durchbrochen werden. Ein wesentlicher Mitspieler ist die von Robert Müller gestaltete Architektur, die durch ein kreatives Arrangement von Stellwänden, Paletten und Podesten sowohl lange Durchblicke wie auch Nischen zur konzentrierten Betrachtung erlaubt.
So wird das früheste gezeigte Werk, ein Damenbildnis des Tschechen Vojtech Hynais von 1900, zu Beginn mit einem Akt von Oswald Oberhuber in Dialog gesetzt. Der einstige Angewandte-Rektor, der die „Permanente Veränderung“ zu seinem Prinzip machte, ist überhaupt ein häufiger Gast, sieht sich an anderem Ort einer Klimt-Zeichnung gegenüber oder gesellt sich mit einem Gobelin zum erwähnten Kokoschka-Hauptwerk dazu.
Wenn auch der Fokus der Sammlungen nicht eindeutig auf einen einzelnen Fokuspunkt zuläuft, so lässt sich doch die Dynamik der Akteure am Sattelpunkt von Ost- und Westeuropa erspüren.
Aus Tschechien kommt viel Auseinandersetzung mit dem Kubismus und Surrealismus, aus Serbien viel Konzeptkunst der 1970er Jahre – die lettische Sammlung bringt als jüngster Bestandteil u. a. Werke der Keramikkünstlerin Kris Lemsalu ein, die wiederum in Wien studierte und somit den Kreis zur hiesigen „Next Generation“ schließt: Mit Judith Fegerl, Sarah Pichlkostner oder Barbara Kapusta, die die Wand im Atrium mit einem großen, flammenden Wandbild ausstattete, sind hier viele Künstlerinnen aktiv, die viel Material- und Geschichtsbewusstsein an den Tag legen und dabei neue Akzente setzen.
Als Entdeckungsreise funktioniert die Schau jedenfalls – womöglich legt sie gar jene Niedrigschwelligkeit an den Tag, die sich so viele wünschen: Den Anspruch auf Kenntnis aller Künstlernamen oder Konzepte kann man nämlich getrost vorab an der Garderobe abgeben.
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