Filmkritik zu "Die Frau, die vorausgeht": Vier Kugeln im Körper

Filmkritik zu "Die Frau, die vorausgeht": Vier Kugeln im Körper
Jessica Chastain als Malerin, die ein Porträt von Sitting Bull anfertigt

So hat sich die New Yorker Porträtmalerin Catherine Weldon den berühmten Sioux-Häuptling Sitting Bull nicht vorgestellt: Als frustrierten Anzugträger, der in einem matschigen Acker herum stochert und nach fauligen Kartoffeln gräbt.

Befragt, ob er für sie Porträt sitzen würde, erweist sich Sitting Bull als unsentimentaler Verhandler.

Ja, würde er, aber nur für viel Geld.

Die unbeugsame Jessica Chastain hat ein Händchen für hartnäckige Frauenrollen – man denke nur an ihre Verbissenheit als CIA-Agentin in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“. Auch als „Frau, die vorausgeht“ – so der Spitzname, den ihr Sitting Bull nach längerer Aufwärmphase verpassen wird – beweist sie unerwartete Zähigkeit. Zwar nimmt sie sich in ihrem hellen Rüschenkleid und dem Strohhütchen auf den ondulierten Locken zuerst reichlich fehlbesetzt aus im Wilden Westen von 1890. Auch ihr unhandlicher Koffer versinkt zuerst in einer Staubwolke, ehe er im Handumdrehen geklaut wird.

Eigensinnig

Doch Jessica Chastain kann ihrem zarten Frauenkörper ungeahnte Kräfte abringen. Obwohl man ihr wenig höflich zu verstehen gibt, dass eine „Indianer-Versteherin“ wie sie in den Reservaten, wo es von Unruhen gärt, nichts zu suchen hat, lässt sie sich in einer Mischung aus Unwissenheit und Eigensinn nicht abweisen.

Der akklamierte Drehbuchautor und Regisseur Steven Knight („Eastern Promises“, „Locke“) fiktionalisierte die Lebensgeschichte der Malerin und Polit-Aktivistin Caroline Weldon, die das Vorbild für die im Film verjüngte und sentimentalisierte Catherine abgibt; und die britische TV-Regisseurin Susanna White verklärte die Begegnung zwischen Weldon und Sitting Bull zu einer etwas unentschlossenen Romanze zwischen der weißen Frau und dem gedemütigten Stammeshäuptling.

Michael Greyeyes spielt seinen Sitting Bull gleichermaßen melancholisch und sexy: Entspannt legt er (fast) seine gesamte Bekleidung ab und beeindruckt die verlegene Malerin mit vier Kugeln in seinem vernarbten Körper. Dann wird gestritten, ob er lieber im Zelt oder im Freien Porträt sitzen soll.

White lässt zwischen den beiden Außenseitern eine große Innigkeit entstehen, die Dank des blendenden Spiels der Darsteller in sehr berührenden Momenten gipfelt. Gleichzeitig kontrastiert sie deren Zweisamkeit mit atemberaubend schönen Landschaftsaufnahmen, in deren weiten Flächen es trotzdem keinen Platz für sie beide geben wird.

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