Filmkritik zu "Immaculate": Sidney Sweeney als schwangere Nonne
Düsterer Kirchenhorror, der im Keller eines Klosters ein dunkles Geheimnis verbirgt
03.04.24, 18:00
Von Gabriele Flossmann
St. Bartholomäus wurde bei lebendigem Leib gehäutet. St. Lawrence? Knusprig gegrillt. Die heilige Lucia und die heilige Agatha werden oft mit den Symbolen ihres Martyriums auf kleinen Tellern dargestellt, bei Lucy mit einem Paar herausgestreckter Augäpfel und bei Agatha mit einem Paar abgetrennter Brüste.
Die Überlieferungen des Katholizismus sind grausam genug, um tausend Horrorfilme zu füllen.
Ein Bild, in dem eine zurückhaltende, aber heiße junge Nonne aus schändlichen Gründen in ein gruselig-opulentes italienisches Kloster gelockt wird, scheint daher gar nicht so übertrieben zu sein.
Der Film beginnt mit einem Rückblick auf eine junge Nonne, die im Schutz der Nacht versucht, aus dem Kloster zu fliehen – bis ihr von mysteriösen Gestalten die Beine mit den Stahlstangen des Tors gebrochen werden. Danach wird der Horrorfilm geradezu wagemutig und provokativ. Geht es doch um unterdrückte Sinnlichkeit im Katholizismus, die mit ikonoklastischer Gewalt – wie etwa in den Gemälden von Hieronymus Bosch - (über-)kompensiert wird. Doch dieses gruselige Stück rund um Schwangerschaft und Horror hinter Klostermauern bleibt, was die Genrezuordnung betrifft, unentschlossen. Trotz ausgesprochen gruseliger Wendungen, respektlosem Heiligen-Spektakel und einigen großartigen Schauspielleistungen gelingt es diesem Film nicht, dort zu treffen, wo er offenbar(?) hinzielt.
Sydney Sweeney spielt Schwester Cecilia, eine Novizin, die sich darauf vorbereitet, in einem italienischen Kloster ihr Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams abzulegen. Dort will sie sich nicht nur Christus widmen, sondern auch der Pflege von alternden Nonnen, die im Hospiz des Klosters untergebracht sind. Mehr noch als an körperlichen Gebrechen leiden sie offenbar an geistiger Verwirrung. Sie wandern durch die Gänge, sagen kryptische Dinge und erleiden gelegentlich heftige Ausbrüche, die furchteinflößend wirken.
Diese Szenen sind mit Jump-Scares gespickt. Wie etwa das grausige Entfernen eines bestimmten Körperteils – „diskret“ durch ein Schlüsselloch beobachtet. Für Cecilia kommt noch ein zusätzlicher Horror dazu: Sie merkt allmählich, dass es sich bei ihrer seltsamen Krankheit, an der sie zu leiden glaubt, in Wirklichkeit um eine Schwangerschaft handelt. Dabei hat sie gerade erst bei ihrer Aufnahme als Novizin dem strammen Pater Sal Tedeschi geschworen, dass sie Jungfrau ist. Die ihr wohlgesonnene Oberin und der einschüchternde Kardinal, der jedes Mal ein lüsternes Auge riskiert, wenn die schöne junge Nonne mit üppigen Lippen seinen Ring küsst, erklären die Schwangerschaft also flugs für ein Wunder. Um eine „unbefleckte Empfängnis“. Daher kann es gar nicht anders sein, als dass Cecilia den wiederkehrenden Christus in sich trägt.
Doch als ihr Bauch mit dem Kind immer größer wird, beginnt sie zu zweifeln, ob diese Schwangerschaft wirklich das ist, was sie will. Vor allem unter dem Einfluss ihrer neuen Freundin: Schwester Gwen war einst Sexarbeiterin und hatte sich – um einer missbräuchlichen Beziehung zu entkommen – hinter die Mauern des Nonnenklosters geflüchtet. Während Cecilia glaubt, dass sie von Gott hierhergeschickt wurde, zweifelt Gwen, dass Gott überhaupt existiert. Für einen atmosphärischen Thriller eine gute Ausgangsposition. Bis man erfährt, dass in einem Kellerlabor nach Mitteln gesucht wird, mit denen man Frauen kontrollieren kann. Man fragt sich: Tut das die Kirche nicht ohnehin schon seit rund 2000 Jahren? Paradoxerweise ist der Film zu ästhetisch gefilmt, um als „Nonnenausbeutungs-Schocker“ durchzugehen. Auch die gruseligen, von Kerzen beleuchteten Korridore, die geheimnisvollen Katakomben, die Albtraumvisionen von schwarz verhüllten Gestalten und auch die Splatter-Ströme von vergossenem Blut sind fast zu schön für einen wahren Horror-Schocker zu sein. Und auch die religiöse Intrige rund um die (un)befleckte Empfängnis bleibt in den – erfreulich knappen 89 Minuten – letztlich ungelöst.
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