Schon im Eingangsbereich der Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier hallt der Ruf, der mehr nach einer Beschwörungsformel als nach dem Hilferuf eines Kindes nach der Großmutter klingt – wobei, so genau weiß man das nicht.
Es könnte die Stimme von Laure Prouvost selbst sein: Die französische Künstlerin, 1978 geboren, gestaltete jene Ausstellung, die in Kooperation von Kunsthalle und Wiener Festwochen (siehe unten) entstand und den zentralen Programmpunkt des Festivals im Feld bildender Kunst darstellt (bis 1. 10.).
Wobei die Grenzen der Genres zerfließen, wie überhaupt alles bei Prouvost (gesprochen: Pru-Vooo) fließend und mehrdeutig anmutet: In ihrem großartigen Beitrag für den Frankreich-Pavillon der Venedig-Biennale 2019 watete man durch Schwemmland, sah Zivilisationsmüll und glitschige Oktopusse, die sich dann als harte Gebilde aus Glas und Kunstharz erwiesen.
Ähnliche Kollisionen von Sinneseindrücken gibt es auch in der Installation in der Kunsthalle. In ihrem unaussprechlichen Titel „Ohmmm age Oma je ohomma mama“ versteckt sich das Wort „Hommage“, aber auch das Wort „Oma“ und noch einiges mehr.
Sie wolle den Frauen danken, die uns dorthin gebracht haben, wo wir heute sind, sagt Prouvost. Im dunklen Inneren der Kunsthalle (vergessen Sie all die „immersiven“ Installationen, die derzeit Ihr Geld wollen) geschieht das nach Art eines Stationentheaters: Über einzelnen „Inseln“ aus Sand, die abwechselnd mit Klang und Licht aktiviert werden, schweben wundersame Mobiles, am Boden selbst sind kleine Skulpturen verteilt. Wobei eine „Skulptur“ auch ein Paar in Glas gegossener Badeschlapfen sein kann.
Auf den ersten Blick offenbart dieser Raum nicht viel, die Zeit für die einzelnen Stationen muss man sich nehmen. Um so nachhaltiger entfalten sich dann die Bezüge zwischen Menschen, Generationen und Ritualen, von denen die Installation erzählt.
Schwebende Herzen
Schlüssel ist dabei der Film „Here Her Heart Hovers“ („Hier schwebt ihr Herz“), der zunächst einer Gruppe Frauen bei einer Wandertour durch eine felsige Küstenlandschaft folgt. In einer Höhle sitzen sie ums Lagerfeuer (eigentlich ist es ein Haufen Handys mit Leuchtfunktion) und erzählen einander von ihren Großmüttern. Eine Nachbildung der Venus von Willendorf wird dabei weitergereicht: Auch die steinzeitliche Figurine aus dem Wiener NHM ist in die Reihe der Ahninnen, denen Prouvost hier ein Denkmal baut, eingemeindet worden.
Je suis Omi!
Denn die Großmutter ist bei Prouvost eine Wahlverwandtschaft: In ihrem Kosmos darf sich jede und jeder seine Familie bauen. Entlang dieses Gedankens werden die Objekte im Raum lesbarer, wenngleich nicht alle restlos decodiert werden müssen. Vielleicht hilft es, zu wissen, dass die kleinen Spinnen aus Glas auf die Bildhauerin Louise Bourgeois anspielen: Sie nannte ihre Riesenspinnen, von denen eine nun im Belvederegarten zu sehen ist (siehe oben), „Maman“, „Mama“. Einiges ist also kunsthistorisch deutbar, anderes – die Badeschlapfen – nur persönlich.
Doch wer hat nicht einen besonderen Platz im Herzen für die Oma oder eine andere Person, die im Leben Geborgenheit, Weisheit, Ruhe verkörpert? Prouvost gelingt es, auf einer poetischen Ebene diese Verbindung wachzurufen, ohne vordergründig auf Gefühlsdrüsen zu drücken. Was bleibt, ist die Notwendigkeit, mit der Oma im Gespräch zu bleiben – wo auch immer sie gerade sein möge.
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