UFO vor dem Belvedere: Die Gegenwart ist im Barockgarten gelandet
Wien-Touristen aus aller Welt werden möglicherweise Erklärungsbedarf haben. Warum ist da eine Raumkapsel auf dem Foto vom Wien-Städtetrip, wo wir vor dem Schloss Belvedere posierten?
Seit kurzem schwimmt das auffällige Objekt im "Spiegelteich", den viele Besucher, vom Gürtel zum Oberen Belvedere kommend, gern als Fotomotiv nutzen. Es ist ein Werk, das die polnisch-britische Künstlerin Goshka Macuga für die Ausstellung "Public Matters" geschaffen hat.
Aus Anlass des 300-Jahr-Jubiläums wurde der Außenraum des Belvederes (mit den Standorten Oberes Belvedere, Unteres Belvedere sowie das Belvedere 21 in Nachbarschaft zum Schweizer Garten) mit zeitgenössischer Kunst bestückt. Insgesamt sind es 32 Werke, wobei einige - etwa eine Hrdlicka-Skulptur im Unteren Belvedere - schon länger vor Ort sind und auch über die Laufzeit (bis 1. Oktober) bleiben werden; drei Werke sind flüchtige Performances, zu erleben beim "Frühlingsfest" am Samstag und Sonntag (13./14. Mai).
Mit der Aktion will das Belvedere ein Zeichen der Zugänglichkeit setzen - der Eintritt zum Fest ist frei, in dem (ohnehin ohne Eintritt zugänglichen) Barockgarten wurden weitere Bereiche wie der "Kammergarten" zugänglich gemacht. In diesem sieht man nun Renate Bertlmanns Schriftzug "Amo Ergo Sum", der einst den Österreich-Pavillon auf der Venedig-Biennale 2019 zierte.
Die Bespielung des Barockgartens mit zeitgenössischer Kunst ist nicht neu - auch Erwin Wurm platzierte schon sein "Fat House" in dem Foto-Spot vor dem Spiegelteich, Ai Weiwei ließ darin ein Floß aus Rettungswesten schwimmen. Wenn es im Programm von "Public Matters" einen roten Faden gibt, dann wohl den, dass man Werke wählte oder beauftragte, die konkret auf die ursprünglichen Repräsentations- und Machtdemonstrationen des Ortes eingehen.
So sollen die Tierwesen, die auf Goshka Macugas Raumkapsel sitzen und eine Art Demo-Transparent schwingen, auf "die Menagerie (=den Zoo) des Prinzen Eugen sowie auf mythologische Figuren" verweisen und "zugleich Protestierende" sein, heißt es in dem Begleittext (ein solcher ist gut sichtbar auf neongrünen Tafeln nächst dem Werk platziert). Der Konnex bleibt an dieser Stelle allerdings etwas gewollt, die Botschaft am Transparent ("Ich hätte für immer durch den Weltraum weiterfliegen können, aber ich liebte immer ein Fenster, vor allem ein offenes") etwas gar offen.
Fabelwesen
Besser gelungen erscheint der Dialog bei der enormen Skulptur, die Toni Schmale im unteren Bereich des Gartens platzierte: Das riesige Fahrzeug, gezogen von vier Objekt-Wesen, nimmt auf eine Figurengruppe Bezug, die sich zu Prinz Eugens Zeiten in dem Bassin an exakt der selben Stelle befand. Anders als beim historischen Vorbild weist Schmale den einzelnen Figuren aber keine eindeutigen Rollen zu, es gibt keine dominierenden und untergebenen Elemente, es sind "gefährt*innen" - so der Titel.
Auch ein realistisch anmutendes Reiterstandbild von Hans Op de Beeck, eine ovale Boden-Installation von Kapwani Kiwanga oder eine eher schockierende Figur mit abgetrennten Füßen von Kara Walker nehmen auf die Repräsentationsgesten des Barockgartens bezug: Wer hat hier Macht, wer hat hier Platz? ist die Frage, die aus den Arbeiten widerhallt.
Schnitzeljagd mit Kunst
Etliche der Skulpturen muss das Publikum allerdings suchen (es gibt einen Orientierungsplan). Denn die Macht im Barockgarten liegt heute nicht zuletzt in den Händen jener Behörden, die über den Denkmalschutz, historische Bausubstanz und Sichtachsen wachen, die erhalten bleiben müssen. Allzu offensichtliche Werke - etwa eine geplante Beschriftung der Wand des Salesianerklosters - unterblieben, der Schriftzug von Konzeptkünstler Lawrence Weiner wurde in ein entlegenes Eck verbannt.
Der von Debatten ums UNESCO-Kulturerbe und die Baupläne am Heumarkt - vielen Wienern und Wienerinnen wohl bekannte "Canalettoblick" musste unangetastet bleiben - nur ein paar Eisenobjekte des Künstlers Socrates Socratous, die an Schiffspoller erinnern, wurden vor dem Oberen Belvedere platziert. Die Arbeit heißt "Thank God I'm Getting On A Boat" (Gott sei dank steige ich auf ein Boot) und ruft in unangenehmer Weise die Erinnerung an die Rettungswesten wach, mit denen Ai Weiwei hier 2016 die Flüchtlingskrise thematisierte.
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