Fehlfarben-Sänger Peter Hein: „Wir waren einfach kleine Deppen“
Das Literaturfestival Sprachsalz in Hall findet heuer von 10. bis 12. September statt – coronabedingt wieder digital. Das Finale am Sonntagabend bestreitet Peter Hein, geboren 1957 in Düsseldorf. Mit seiner Band Fehlfarben schrieb er 1980 Musikgeschichte. Der KURIER traf ihn im Prückel. Denn Peter Hein lebt seit etwa einem Jahrzehnt in Wien.
KURIER: Düsseldorf war im letzten halben Jahrhundert ein Biotop für zeitgenössische Musik – mit Kraftwerk, den Toten Hosen, DAF und Fehlfarben. Wie kommt das?
Peter Hein: Keine Ahnung. Einfach weil wir da waren. Mit Kraftwerk hatten wir nichts zu tun. Auch nicht mit La Düsseldorf. Die waren älter. Zu der Bagage, mit der wir zu tun hatten, also Punk und Folgendes, lagen Welten. Wenn man von der Schule kommt, waren schon die 25- oder 30-Jährigen alte Säcke. Und wir haben einfach durch Zufall etwas gemacht … Es war Zufall, nehm’ ich an.
Sie wussten nicht, dass Fehlfarben mit der Platte „Monarchie und Alltag“ genau den Nerv der Zeit trifft?
Der war uns wurscht. Wenn man mitten drin steckt, dann weiß man’s nicht. Oder umgekehrt: Wer so was plant, macht Scheiße. Da kommen höchstens Charts-Erfolge raus.
Wie kamen Sie zur Musik?
In der Schule hatte ich mit der Musik noch gar nichts am Hut. Erst in der Lehre hab’ ich begonnen, Platten zu kaufen. Beatles, Stones, Kinks, Clash.
Studieren wäre keine Möglichkeit gewesen?
Die Familie hätte das gern gesehen. Aber ich hab’ das Studentenwesen abgelehnt. Denn dann wäre ich wieder mit so Idioten und Schwätzern zusammen gewesen. Das hat mich nicht gereizt. Also hab’ ich nach dem Abi bei Rank Xerox die kaufmännische Lehre gemacht – und wurde danach übernommen. Also: Ich habe keine Bewerbungsroutine. Andererseits: Mein Gehalt stieg nicht so an wie beim Jobhopping.
Bei Rank Xerox arbeiten und danach ein Konzert geben. War das nicht stressig?
Am Anfang gab es ja keine Konzerte, sondern nur Proben. Und da bist du halt mit der S-Bahn hingefahren. Das war ganz normal. Und es gab auch noch kein Nachtleben. Um eins war Sperrstunde.
Wie geht Punk und bürgerliches Leben zusammen?
Das war Punk! Punk hieß ja nichts anderes, als dagegen sein. Das Klischeebild vom Punk mit dem Abbruchhaus, dem Schäferhund, den Flohstichen und dem ganzen Scheiß: Das gab es damals ja noch gar nicht. Wir waren einfach kleine Deppen, die etwas Lustiges aus England nachgemacht haben.
Den Job hinschmeißen, kam also gar nicht infrage.
Gegen was hätte ich ihn eintauschen sollen? Auf der Straße wohnen? Wir haben ja nix verdient mit der Musik.
Daher haben Sie Fehlfarben just am Vorabend der ersten Tournee verlassen?
Ich wäre schon mitgefahren. Aber plötzlich hieß es, dass die Tournee nicht zwei, sondern vier Wochen geht. Da hab’ ich gesagt: Mach ich nicht! Ich will nicht allen Urlaub auf einmal verballern.
Wie kam die Band ohne Ihre markante Stimme aus?
Keine Ahnung. Hat mich ja nicht tangiert. Thomas (Schwebel, der langjährige Gitarrist, Anm.) ist jetzt noch sauer. (Er schmunzelt.) Aber wir sind längst versöhnt.
Sie sangen später bei etlichen Platten der Fehlfarben.
Und wir machen grad eine neue. Aber das auch schon seit zweieinhalb Jahren.
2003 wurden Sie bei Rank Xerox wegrationalisiert. Seit einem Jahrzehnt leben Sie nun in Wien. Warum?
Meine Frau ist von hier. Und die Band war längst keine Düsseldorfer mehr: Alle lebten irgendwo – in Hamburg, Köln, Berlin. Wo ich arbeitslos bin, ist ja auch egal. Ich fühl mich wohl hier.
Was sagen Sie zur hiesigen Musikszene?
Ich kenne Musiker, Bands. Und Leute, die sehr nett sind. Aber das, was als Dialekt-Szene verkauft wird: Da verkneif ich mir jedes weitere Wort.
Ihre Band Family 5 gibt es nach wie vor. Mit dabei ist auch der Fehlfarben-Kollege Xao Seffcheque, ein gebürtiger Grazer. Und vor einem Jahr haben Sie die Band Schallschatten gegründet.
Damit ich was in Wien zu tun hab, ohne dass die Truppe aus Deutschland anreisen muss. Aber es gibt noch kein Plattenprojekt. Wir spielen Sachen aus meinem „Oeuvre“, also einen Querschnitt der vergangenen 40 Jahre.
Sie sind kürzlich bei „Wien dreht auf“ aufgetreten.
Ja, auf einem Parkplatz von St. Marx. Wie schon beim Konzert davor hat es gegossen wie aus Kübeln. Wir haben jetzt einen Vertrag mit der Sahelzone abgeschlossen.
Bei Sprachsalz lesen Sie aus Ihrem Buch „Geht so“. Das ist schon älter, aus 2007.
Ein neues Buch muss man wollen. Aber ich hab’ keinen Leidensdruck, ich muss nicht schreiben. Diese Bücher von Musikern darüber, wie sie auf Tour waren … nee, darauf hab’ ich keinen Bock. Und blöde Krimis? Die les’ ich, aber will sie nicht schreiben. Ich les’ halt ein bisschen was aus dem Buch vor, dazu ein paar Gedichte oder Song-Texte und Verstreutes.
Nächstes Jahr werden Sie 65. Ist das ein Problem für Sie?
Nein. Es ist halt, wie es ist.
Programm: Den Freitagabend eröffnet um 19 Uhr Hanno Millesi. Im Stundentakt folgen Indie-Ikone Scott McClanahan, Camille Kouchner, Hari Kunzru und Jenny Offill. Am Samstag geht es ab 20 Uhr live weiter mit Ned Beauman, Raffaella Romagnolo, Ariela Sarbacher und Yoko Ogawa. Und den Sonntag bestreiten Jon Fosse, Comiczeichner Nicolas Mahler, Michael Chabon und Peter Hein
Stream: Live via www.sprachsalz.com oder den Sprachsalz-YouTube Channel – dort ist das Festival bis 13. September abrufbar
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