Nicht nur Straßennamen: Es gibt auch Ehrengräber für Nazis

Heftige Diskussionen über Karl Lueger, den antisemitischen Bürgermeister: Soll das Denkmal verschwinden - oder kontextualisiert werden? Die Erklärungstafel ist eher dürftig, wird aber regelmäßig gesäubert.
Trenklers Tratsch: Die Diskussion über umstrittene Straßennamen geht weiter, aber auch die Ehrengräber sollten hinterfragt werden

Mehr als acht Jahre ist es her: Im Juli 2013 wurde eine von der Stadt Wien in Auftrag gegebene Studie zu umstrittenen Straßennamen präsentiert. Sehr viel passiert ist seither nicht. Der Karl-Lueger-Ring wurde in Universitätsring umbenannt, der Richard-Kuhn-Weg in Stadt-des-Kindes-Weg, der Wilhelm-Neusser-Park in Wander-Lunzer-Park. Die Arndtstraße blieb, aber sie erinnert nun nicht mehr an den judenfeindlichen Geschichteprofessor Ernst Moritz Arndt, sondern an die Holocaustüberlebende Ilse Arndt. Und gerade einmal an 28 Straßenschildern wurden Zusatztafeln angebracht. Dabei hatten die Studienautoren – Birgit Nemec, Peter Autengruber, Florian Wenninger unter der Leitung von Oliver Rathkolb – mehr als 170 bedenkliche Straßennamen ausfindig gemacht.

Und das sind längst nicht alle. Schon damals fragte man sich, warum der antisemitische Schriftsteller Robert Hamerling fehlt, nach dem ein Platz, ein Park und zwei Gassen benannt sind. Und ein KURIER-Leser wies Ihren Tratsch-Partner darauf hin, dass auch der Politiker Ferdinand Loquai, Namensgeber des Loquaiplatzes, ein Antisemit gewesen sei.

Diese Anregung und weitere machten einen Ergänzungsband notwendig. Er wird heute, Mittwoch, von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler präsentiert und umfasst zehn kritische Biografien; hinzu kommt mit dem virulenten Thema Kolonialismus ein Aspekt, den man einst nicht beachtet hatte.

Neue Fälle „mit intensivem Diskussionsbedarf“ gibt es zwar keine. Und doch förderten die Autoren – neben Rathkolb und Autengruber auch Lisa Rettl und Walter Sauer – ein paar hoch interessante Details zutage. Siegfried Theiss zum Beispiel, der Architekt des viel gerühmten Hochhauses in der Herrengasse, war ein Nazi: „politisch wie charakterlich vollkommen einwandfrei“, so die NSDAP. Im April 1938, kurz nach dem „Anschluss“, schrieb Theiss in der Neuen Freien Presse: „Für uns Architekten ist und bleibt unser Führer der große ,Baumeister‘.“ Entnazifiziert wurde Theiss durch Bundespräsident Karl Renner (SPÖ).

Oder Wilhelm Dachauer. Der Maler übernahm bereits am 12. März 1938 – also handstreichartig in vorauseilendem Gehorsam – zusammen mit den Kollegen Ferdinand Andri und Alexander Popp das Rektorat der Akademie der bildenden Künste. Er schuf u. a. eine Marke mit dem Konterfei von Adolf Hitler (zum Geburtstag des „Führers“ 1943) sowie das Gemälde „Und aus dem Opfer des Krieges entsteht das Neue Europa“, das 1944 von der Reichskanzlei angekauft wurde.

Der Ergänzungsband widmet sich auch dem Radrennfahrer Max Bulla (NSDAP-Mitglied), dem antisemitischen Juristen Augustin Kupka und der nationalsozialistischen Botanikerin Lore Kutschera. Der Priester Sebastian Rieger (vulgo Reimmichl) verteufelte die Juden, hörte aber damit auf, als die Nazis diese zu verfolgen begannen. Unter den Kolonialreisenden (sieben Namen) sticht besonders negativ Oscar Baumann hervor, der „wesentlich zur Afrikakollektion“ des Weltmuseums beigetragen hat.

Das Verankern von Persönlichkeiten im öffentlichen Gedächtnis beschränkt sich allerdings nicht nur auf Straßennamen. Ihr Tratschpartner regte schon vor Jahren an, die Ehrengräber zu prüfen. Der Maler Dachauer z. B. erhielt ein solches auf dem Zentralfriedhof. Und man könnte auch die Gemeindebauten einer Prüfung unterziehen. Denn es gibt ja zum Beispiel den Josef-Weinheber-Hof.

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