Und doch ist die Aura eines historischen Objekts nicht so leicht umzubringen: Sich einem Blatt Papier gegenüber zu sehen, auf das womöglich Dürer selbst einst den Druckstock gepresst hat – und es dann mit einer Variation desselben Motivs zu vergleichen, die erst nach seinem Tod abgezogen wurde –, erzeugt ein Gefühl der Nähe, das es abseits des Museums so nicht gibt.
Die Frage, welche Rolle das Material und Handwerk in dieser Art des Bildermachens spielt, stellt sich in der Ausstellung etwas zwiespältig dar: Zwar betont Albertina-Chef Schröder, dass die künstlerische Qualität die Auswahl bestimmte – dennoch ist man dankbar für die kurzen Videos, die in der Schau erklären, wie nun ein Holzschnitt, ein Kupferstich oder eine Radierung hergestellt werden.
Gerade Top-Werke wie das in mehreren Druckzuständen präsentierte „Ecce Homo“-Blatt von Rembrandt zeigen zudem, dass sich die Genialität der Meister ihren Weg nicht wie durch Glas durch den Herstellungsprozess bahnte: Oft entwickelte sie sich im Dialog, vielleicht sogar im Kampf mit diesem.
Nicht nur wegen dieser Doppelfokussierung auf Medium und Meisterschaft fühlt sich „The Great Masters of Printmaking“ nicht wie eine Ausstellung an, sondern wie mindestens zwei. Auch der extrem weite Zeithorizont vom 15. bis ins 20. Jahrhundert trägt zur Spaltung bei.
Räumlich manifestiert sich der Knick am Ende einer langen Raumflucht: Nach Francisco de Goyas und William Hogarths umwerfenden Gesellschaftssatiren macht sich hier die Moderne breit, mit Bildern von Henri de Toulouse-Lautrec oder Edvard Munch, der teils Materialeigenschaften wie die Maserung eines Holzbretts in Bildkompositionen einband.
Die Herausforderung, nach all der kleinteiligen Herrlichkeit in den Auftakträumen an dieser Stelle in einen ganz anderen Betrachtungsmodus umzuschalten, ist hoch. Dabei gibt es auf der Ebene der Bildmotive durchwegs etwas, das Brücken zwischen den Epochen schafft: Es ist die Tendenz zum Fantastischen und Albtraumhaften.
Man begegnet ihr bei Martin Schongauers „Versuchung des Heiligen Antonius“ (1470) am Beginn des Parcours, in der Moderne-Sektion bei Max Klinger und Ernst Fuchs – und ganz am Ende bei Paula Rego. Ihre bedrückenden Visionen sind nah an der „Caprichos“-Serie von Goya (ebenfalls Highlights der Schau), entstanden aber 200 Jahre später.
Der Faden, an dem die Albertina ihre druckgrafischen Schätze präsentiert, liegt also ein wenig verknäuelt da. Die Freude, die Werke sehen zu können, mindert das nicht: Ab Ende Februar geht es mit der Druckgrafik nach 1960 in der Albertina Modern weiter, den Druckgrafiker Picasso würdigt das Museum in einer eigenen Schau ab 17. März.
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