Reality Winner wusste also, wie man mit Top-Secret-Infos umzugehen hat. Trotzdem druckte sie ein Geheimdienstpapier aus, schmuggelte es in der Strumpfhose nach draußen – und schickte es der Nachrichtenwebsite The Intercept. Nach der Veröffentlichung wurde, nicht weiter verwunderlich, der FBI aktiv. Als man alle Beweise beisammen hatte, stellte man Reality Winner.
Das anschließende Verhör wurde verschriftlicht: Eine zensurierte Fassung findet man im Internet, knapp 80 Seiten lang. Tina Satter empfand den Text als „Thriller“ – und stellte die Befragung gekürzt nach. Noch bis 16. Juni ist das Reenactment „Is This A Room“ als Produktion von Half Straddle im Rahmen der Wiener Festwochen zu sehen. Wer sich ein Waterboarding oder andere miese Methoden erwartet hätte, wird enttäuscht sein. Die FBI-Beamten bedrängen zwar die Frau, sind aber höflich. Reality Winner, verkörpert von Katherine Romans, kann gar nicht anders als gestehen. Wo ist der Thriller?
Tina Satter macht in ihrer soliden, konventionellen Inszenierung die zensurierten Stellen hörbar – mit Paukenschlägen. Man muss allerdings wissen, dass Reality Winner Informationen zur russischen Einflussnahme auf den Wahlkampf 2016 geleakt hat. Denn nur so erklärt sich der „Thriller“: Die Uraufführung fand 2019 in New York statt – vor der denkbaren Wiederwahl von Donald Trump. Aus heutiger Sicht ist die Produktion recht banal und langweilig. Eben ein typischer Festwochen-70-Minüter.
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