Die wahren Abenteuer sind im Kopf – bis die Schafe blöken
Die Wiener Festwochen gehen langsam – am 18. Juni mit einer „Xenakis Birthday Party“ – zu Ende. Und man muss feststellen: Sie waren streckenweise mühsam. Zumindest, was das Theater anbelangt. Denn die Festwochen haben nur vereinzelt aufwendige, überwältigende Produktionen geboten.
Sicher, die Pandemie verunmöglichte das eine oder andere Gastspiel. Die Programmatik aber hätte sich nicht wesentlich geändert: Statt klassischem Schauspiel oder genialen Stückezertrümmerungen gab es in erster Linie Performances, Lectures, Experimente. Es wurden Themen abgehandelt, statt Geschichten zu erzählen. Der mitunter wenig befriedigende 70-Minüter avancierte zum Maß aller Dinge.
Dennoch gab es magische Momente. In Erinnerung bleibt Adèle Haenels Kraftakt in Robert Walsers „Der Teich“, atemberaubend-verstörend umgesetzt von Gisèle Vienne. Und gut zu unterhalten vermochte das eine oder andere Solo in der Nummernrevue „Der Ring des Nibelungen“ von Christopher Rüping und Necti Öziri.
Eine Reise in die Nacht
Auch am Wochenende gab es einen magischen Moment. Denn die Festwochen führten an die Ränder der Stadt. Es war eine Reise in die Nacht – und in die Natur. Zunächst ging es in die Kaisermühlenbucht, ein Amphitheater an der Donau, das Michael Ludwig eigentlich zu einer echten Open-Air-Bühne hochjazzen wollte.
Anfangs tat sich nicht viel. Man schaute auf das OMV-Gebäude gegenüber. Paare, Passanten und Paddler, ein Rettungsfahrzeug im Einsatz und eine Schwan-Familie dominierten das Geschehen in der untergehenden Sonne. Eine Frau im Rollstuhl wird vorbeigeschoben. Sie winkt einem sich nähernden Mann im Astronautenanzug zu. Damit beginnt, wie sich bald herausstellt, die „Weltpremiere“ von „Astronaut Wittgenstein“: Nataša Rajković (Text, Regie, Kostüme) klopft mit ein paar nicht so tollen Schauspielern zentrale Sätze von Ludwig Wittgenstein ab – hinsichtlich Möglichkeiten und Realität und anhand von Demenz.
Danach ging es über die Tangente in den Kurpark Oberlaa. Der Fastvollmond schien helle, das spanische Kollektiv El Conde de Torrefiel, das mit „Una imagen interior“ enttäuscht hatte, lud wieder zum Mitlesen ein. Und gebannt starrte man auf eine riesige Leinwand mit Text. Das Konzept von „Ultraficción Nr. 1 / Fracciones de tiempo“ ähnelt den Spots „Das Werbewunder Radio“: Untermalt von einem überwältigenden Soundtrack entstehen die Bilder im Kopf.
Tanya Beyeler und Pablo Gisbert reißen – sich selbst zitierend – mehrere eigenartige Geschichten aus der Vergangenheit wie aus der Zukunft an. Eine handelt von einem Flüchtlingsboot, das auf Kreta landet.
Und jetzt setzte der magische Moment ein: Ein Schäfer trieb seine Herde mitten durch das Publikum. Ja, man traute seinen Augen kaum. Aber es kam noch besser: Der Wald ringsum begann sich zu bewegen. Bizarr. Ja, das war großes Theater!
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