"Exodus": Auszug aus Ägypten

Christian Bale als Moses beaufsichtigt die Sklavenarbeit der Juden, ehe man ihm steckt, dass er auch dem Volk Israel angehört: „Exodus“.
Christian Bale in Ridley Scotts zerfahrenem Bibel-Blockbuster.

Gott ist ein elfjähriger Junge und spricht mit britischem Akzent. Niemand kann ihn sehen, nur Moses. Wenn Moses mit Gott (dem Elfjährigen) spricht, haben Beobachter den Eindruck, er redet mit sich selbst – oder einem Stein. Außerdem ist das Gott-Kind ziemlich wütend. Während Moses zur Besinnung mahnt, lässt es sich eine alttestamentarische Gemeinheit nach der anderen einfallen. Schnappende Krokodile, Fröschen, fiese Fliegen – von den toten Erstgeborenen unter den ägyptischen Kindern gar nicht zu reden.

Die Entscheidung von "Gladiator"-Regisseur Ridley Scott, Gott nicht hinterm brennenden Feuerbusch zu verstecken, sondern das Gesicht eines rabiaten Buben zu geben, zählt noch zu den interessanteren Momenten seines erschöpfend exzessiven 3-D-Spektakels. Umgekehrt ließ Darren Aronofsky in "Noah" – der zweiten Bibelverfilmung des Jahres – seinen Schiffsbauer als Fanatiker auftreten, der die Anweisungen Gottes übertreibt.

Zu den heitersten Momenten in dem ansonsten weitgehend humorfreien Bibel-Blockbuster zählen zweifellos die Auftritte der Ägypter. John Turturro als netter, alter Pharao trägt so viel schwarzen Eyeliner um den Augenrand, dass er locker für eine Kosmetik-Werbung posieren könnte. Auch sein Sohn Ramses ist in den Schminktopf gefallen. Überhaupt schimmert die Haut durchwegs weißer Hauptdarsteller in künstlichem Braunton – was in den USA für Ärger sorgte. Während sich die weißen Stars mit Selbstbräuner den Bronze-Taint verpassten, wurden die kleinen Rollen – Bevölkerung, Sklaven, etc. – mit unbekannten, nicht-weißen Schauspielern besetzt.

Sekundenauftritt

Die ägyptischen Herrscher – darunter Sigourney Weaver in einem Sekundenauftritt – kraulen Tiger am Ohr und schmusen mit Riesenschlangen. Moses fühlt sich unter ihnen pudelwohl – bis ihm jemand steckt, dass er eigentlich zu den Juden gehört, die grausam unterdrückt werden. Ab dem Zeitpunkt lässt er sich einen Bart wachsen.

Christian Bale als Moses mit wechselnder Gesichtsfrisur gebietet mit großer Präsenz die Leinwand. Er ist ein Suchender, streitet mit Gott und ringt um die Wahrheit. Trotzdem nimmt man ihm sein Engagement für das Volk Israel nicht recht ab. Die jüdischen Hauptfiguren – darunter Ben Kingsley und Aaron Paul von "Breaking Bad" – bleiben wenig entwickelt am Rande, die wahre Spannung spielt sich zwischen Moses und Ramses beziehungsweise Moses und Gott ab. Doch auch hier fehlt es letztlich an Dringlichkeit.

Ridley Scott setzt auf maximale Schauwerte (monumentale Schlachten), krasse Effekte (die Krokodile schnappen wie der Weiße Hai) und visuelle Großtaten. Doch gerade das Rote Meer als Höhepunkt am Ende des Epos, sieht – wenn es geteilt wird – enttäuschend blass aus.

Info: Exodus: Götter und Könige. USA/GB 2014. 150 Min. Von Ridley Scott. Mit Christian Bale.

KURIER-Wertung:

Hinweis: Mehr zum Thema Film finden Sie hier auf film.at.

Die Piste gibt nicht nach, dein Körper ist der Schwachpunkt", sagt der Norweger Aksel Lund Svindal über die Kitzbüheler Streif. Er ist einer der fünf Hauptakteure der Doku "Streif – One Hell of a Ride", die den Mythos des Skirennens spektakulär auf die Kinoleinwand bringt. Regie führte Gerald Salmina, der für das Red Bull Media House bereits die wahnwitzige Freeriding-Doku "Mount St. Elias" drehte. Diesmal war neben Servus TV auch der ORF an Bord.

Handlungs-Erzähler sind die beiden ehemaligen Streif-Helden Didier Cuche (Kitz-Rekordsieger) und Daron Rahlves. Letzterer bezeichnete Stephan Eberharters makellose Siegfahrt von 2004 im Film als "One Hell of a Ride" und lieferte somit den Zweittitel für die Streif-Doku.

Neuer Blickwinkel

Zu sehen sind Höllenritte, Triumphe und Stürze aus 75 Jahren Streif. Der Film liefert aber weit mehr als eine chronologische Aneinanderreihung legendärer Momente. Mit 18 Filmteams und Highspeed-Kameras wurden die Hahnenkamm-Abfahrt 2014 und die Vorbereitung darauf aus neuen Blickwinkeln eingefangen. Erzählt wird die Geschichte anhand von fünf Hauptakteuren, den Skifahrern Aksel Lund Svindal, Erik Guay, Max Franz, Juri Danilotschkin und Hannes Reichelt.

Man sieht etwa den weißrussischen Außenseiter Danilotschkin, der mit seiner Mutter im Familien-Van übernachten muss, während der Österreicher Max Franz fast wie in der TV-Werbung mit einer deutschen Sport-Limousine zum Training kurvt. Da werden Kontraste spürbar. Jeder setzt auf seine Weise alles dafür ein, um die gefährlichste Skipiste der Welt erfolgreich zu bewältigen.

Abgeworfen

Doch viele wurden im Lauf der Jahrzehnte auch abgeworfen. So kommen der Schweizer Daniel Albrecht und der Österreicher Hans Grugger zu Wort, die nach ihren schweren Stürzen Schädel-Hirn-Traumatas davontrugen, und ihre Liebsten erst nach und nach wieder erkannten. Grugger erwischte es 2011 beim Training in der Mausefalle. Leben und Tod, Sinn und Unsinn liegen in Kitz besondes nah bei einander. Auch das zeigt die zweistündige Doku.

Doch bei all den "modernen Gladiatoren", die hier mit der Kamera begleitet wurden (interessanterweise auch Marcel Hirscher, der noch keine Weltcup-Abfahrt auf der Streif gefahren ist): Der eigentliche Hauptdarsteller ist die Strecke mit ihren berühmten Passagen – etwa der Hausbergkante, die dieses Jahr umfahren werden musste. So wird das Unberechenbare im Film zum dramaturgischen Element.

Kampf um die Piste

Die Hausbergkante mit der anschließenden Traverse hätte Salmina und seinen Kameraleuten besonders spektakuläre Aufnahmen beschert. Zuerst aber fehlte der Schnee. Er wurde eigens für das Sport- und Society-Spektakel mit Hubschraubern herbeigebracht. Dennoch entschied man sich für die Abzweigung über die Slalompiste, um die 74. Hahnenkamm-Abfahrt zu retten. Dann fiel kurz vor dem Rennen zu viel Schnee, der wieder aus der Piste geräumt werden musste. Der Einsatz des Planungsteams verläuft im Film fast so spannend wie das Rennen selbst.

Auch der Sieg von Hannes Reichelt gab den Filmemachern ein die Dramatik steigerndes Element in die Hand. Im Nachhinein wurde bekannt, dass der Österreicher wegen seines lädierten Rückens aus medizinischer Sicht gar nicht antreten hätte dürfen. Der Körper ist eben der Schwachpunkt, wie Svindal sagt. Oder, wie es einer der Pistenverantwortlichen scherzhaft ausdrückt: Wenn man die Streif in Angriff nimmt, "da muss es dir da oben fehlen". Im Kinosessel kann man sich dafür nun gefahrlos zwei Stunden lang durchschütteln lassen.

Info: "Streif - One Hell of a Ride". Sportdoku. Ö 2014. 120 Min. Von Gerald Salmina. Mit Didier Cuche, Daron Rahlves, Aksel Lund Svindal, Erik Guay, Max Franz, Juri Danilotschkin und Hannes Reichelt u.v.a.

KURIER-Wertung:

"Exodus": Auszug aus Ägypten
Die Streif: Bis zu 85 Prozent Gefälle

Die Anzeichen kommen zuerst schleichend, dann rapide. Zuerst zittert nur seine Hand ein bisschen, dann hat er Schwierigkeiten, einem Zug hinterherzulaufen. Schließlich stürzt er in voller Länge zu Boden. Die Diagnose der Ärzte ist niederschmetternd. Stephen Hawking, der begabte britische Physik-Student am Elite-Collage Cambridge leidet an einer Erkrankung des motorischen Nervensystem. Lebensaussicht: zwei Jahre.

Doch das war in den 60er-Jahren; Stephen Hawking lebt heute immer noch.

James Marsh ("Man on Wire") erzählt das Leben des Wissenschaftlers – weltberühmt durch Werke wie "Eine kurze Geschichte der Zeit" – in erster Linie als Ehegeschichte. Sie beruht auf den Memoiren von Hawkings erster Frau Jane, die er kurz vor dem Ausbruch seiner Krankheit kennenlernte.

Unprätentiös, atmosphärisch stimmungsvoll und schauspielerisch exzellent gespielt, entfaltet der Brite die Szenen einer Ehe. Trotz aller Widrigkeiten beginnt die Verbindung von Stephen und Jane Hawking im Glücksrausch. Doch aus den zwei Jahren werden Jahrzehnte, und die Strapazen, die ein genialer, aber schwer kranker Mann und die Erziehung von drei Kindern mitbringen, nützen Jane ab.

Konventioneller, aber einfühlsamer Film über den Verschleiß einer großen Liebe in den Mühlen des Alltags. Physik spielt dabei kaum eine Rolle.

Info: Die Entdeckung der Unendlichkeit. GB 2014. 123 Min. Von James Marsh. Mit Eddie Redmayne, Felicity Jones.

KURIER-Wertung:

"Exodus": Auszug aus Ägypten
Exzellent: Eddie Redmayne als Stephen Hawking im Rollstuhl.

Der 71-jährige Schwede Roy Andersson gewann mit seiner Groteske "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" in Venedig den Goldenen Löwen. Es war dies der letzte Teil einer Trilogie, in der Andersson über das Leben nachdachte.

In skurrilen Tableaux Vivants entwirft er absurd-komische Einzelszenen: Zwei Männer gehen in eine Bar und verkaufen Vampir-Zähne. Eine Kellnerin kassiert für ihre Schnäpse Küsse statt Geld. Ein Mann stirbt beim Öffnen einer Rotweinflasche. Die Schauspieler tragen weiße Schminke im Gesicht, ihre Umgebung ist in fahle Farben getaucht. Mit traurigen Mienen und langsamen Bewegungen bewegen sie sich wie in Zeitlupe durch ihre Szenen – was manche wahnsinnig lustig finden. Roy Anderssons Blick auf die Welt ist melancholisch, bizarr, extravagant – aber letztlich auch ziemlich leer.

Info: "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach". S/D/N/F 2014. 101 Min. Von Roy Andersson. Mit Holger Andersson, N. Westblom.

KURIER-Wertung:

"Exodus": Auszug aus Ägypten
Niemand will Vampir-Zähne kaufen: Roy Anderssons Welt

"Die Legende von Prinzessin Kaguya": Melancholisches Volksmärchen aus Japan ohne Folklore

Acht Jahre lang arbeitete der japanische Anime-Künstler Isao Takahata an der Trickverfilmung von Japans berühmtem Volksmärchen, „Die Legende von Prinzessin Kaguya“. In zarten, wie hingehauchten pastellfarbigen Bildern, die an Aquarelle erinnern, erzählt er melancholisch die Story eines Bambussprößlings, der sich in eine Prinzessin verwandelt. Zuerst wächst das Mädchen unbeschwert auf, doch dann wird es in die Oberschicht eingeführt. Dort beginnt die Dressur.

Info: Die Legende der Prinzessin Kaguya. Japan 2013. 137 Minuten. Von Isao Takahata.

KURIER-Wertung:

"Bibi & Tina – Voll verhext"

Jugendfilm. Das zweite Filmabenteuer von Regisseur Detlev Buck über die reitende Junghexe und ihre beste Freundin.

"Honig im Kopf"

Tragikomödie. Til Schweiger führte Regie und spielt – mit Didi Hallervorden als verwirrter Großvater.

"Exodus": Auszug aus Ägypten

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