Bregenzer Festspiele: Van der Bellen kritisiert Umgang mit Verfassung

Bregenzer Festspiele: Van der Bellen kritisiert Umgang mit Verfassung
In seiner Eröffnungsrede sprach der Bundespräsident, ohne Namen zu nennen, auch aktuelle politische Themen an.

Politische Festspieleröffnung in Bregenz

Festspieleröffnungen sind üblicherweise nicht der Ort für Tagespolitik, eher für die großen Leitlinien. Umso bemerkenswerter ist, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen gerade in Bregenz die diversen Störgeräusche rund um den Ibiza-U-Ausschuss deutlich ansprach.

In seiner Festrede bei der Eröffnung der 75. Bregenzer Festspiele am Mittwochvormittag sagte er zu Beginn: "Ist schon interessant, wenn ich auf der Straße mit den Leuten rede, dann höre ich nicht nur ein Mal, dass man sehr unzufrieden ist, wie respektlos mit den Institutionen dieser Republik teilweise, von verschiedenen Seiten, umgegangen wurde, insbesondere mit der Verfassung." 

Die Verfassung selbst habe "ihre Eleganz nicht eingebüßt, sie hat nicht gelitten", sagte Van der Bellen. Als unelegant betrachtet er hingegen anderes: "Ich war wirklich erstaunt zu sehen, wie ein über hundert Jahre für tot erklärter Artikel der Bundesverfassung zum Leben erwacht ist und mich zu verschiedenen Tätigkeiten veranlasst hat", sagte der Bundespräsident, in Anwesenheit von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Van der Bellen sprach damit, ohne Namen zu nennen, die erst nach einer drohenden Exekution erfolgten Aktenlieferungen an den Ibiza-U-Ausschuss durch das Finanzministerium an.

Klimakrise und Frauenpolitik

"Darüber könnte ich lange reden, aber das tue ich jetzt nicht", sagte Van der Bellen in seiner immer wieder von Applaus unterbrochenen Rede. "Weil eine Sache bereitet mir mehr Sorgen, die Klimakrise, in die wir immer mehr hineinrutschen." Er wies auf die immer längeren Hitzeperioden hin, Tornados mitten in Europa und die jüngste Flutkatastrophe in Deutschland und auch in Österreich.

Er mahnte: "Meine Damen und Herren, ich würde ja gerne über was anderes sprechen. Ich weiß, Sie sind nicht hier, weil Sie sich Sorgen machen wollen. Niemand will sich Sorgen machen. Aber wir müssen uns Sorgen machen. Es ist unsere Menschenpflicht, unser Haus in Ordnung zu übergeben."

Man dürfe aber nicht in einen Fatalismus verfallen oder allzu pessimistisch werden, "wir wissen schon, dass wir das Zeug haben, mit Krisen fertig zu werden". Es müsse aber jeder das Seine beitragen, und: "Wir werden unsere Lebensweise umstellen müssen." Die Ziele seien definiert, er wolle aber Maßnahmen sehen. "Wir müssen schneller ins Tun zu kommen, das schaffen wir auch", so Van der Bellen.

Mehrbelastung für Frauen

Was die Pandemie betrifft, machte Van der Bellen Hoffnung: "Lassen Sie uns gemeinsam hoffen, dass wir das Gröbste hinter uns haben." Er zeigte sich aber auch kritisch zur Mehrbelastung, die während der Pandemie an den Frauen "gezehrt" habe: "Wie schnell es geht, dass eine Gesellschaft im Krisenmodus in alte Geschlechterrollen zurückfällt. Betreuungsarbeit und Homeschooling blieben vornehmlich an den Frauen hängen. Das sollten wir nicht weiter hinnehmen." Dazu brauche es "eine Änderung in den Köpfen aller und in den Geldbörsen der Frauen, und ganz konkrete Angebote für die Kinderbetreuung."

Die Bregenzer Festspiele, denen er zum 75. Geburtstag gratulierte, würdigte er als "das" Festival der Zweiten Republik, das das Kulturverständnis der Republik widerspiegle.

Abschließend, "und dafür bin ich eigentlich hier", sagte Van der Bellen, eröffnete er die 75. Ausgabe der Bregenzer Festspiele.

Eröffnung mit Festspiel-Highlights

Traditionell mit der Österreichischen Bundeshymne begann am Mittwochvormittag die Eröffnungsfeier, gespielt von den Wiener Symphonikern unter der Stabführung von Julia Jones und Dirk Kaftan. Es folgten Szenen aus Wagners "Rheingold", Verdis "Rigoletto", Boitos "Nero" und anderen Festspielproduktionen. ORF 2 übertrug live.

Puppenspieler Nikolaus Habyan, der mit seiner gealterten Diva "Lady Bug" launig durchs Programm führte, kündigte die "wirklich wichtigen" politischen Vertreter an, die sich "hoffentlich" würdig verhalten. Festspielpräsident Hans-Peter Metzler, der von "Lady Bug" noch gebeten wurde, sich diesmal kurz zu halten, begrüßte ebendiese Vertreter: Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Außenminister Alexander Schallenberg, Arbeitsminister Martin Kocher, Staatssekretär Magnus Brunner (alle ÖVP), sowie Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne).

Den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hob er besonders hervor, dessen "mutige und entschlossene Haltung haben die Jubiläumsfestspiele ermöglicht", so Metzler. Nach einer Corona-bedingten Pause von einem Jahr wird das Festival heuer unter "3G-Bedingungen" durchgeführt.

Bregenzer Festspiele: Van der Bellen kritisiert Umgang mit Verfassung

Metzler: "vernünftiges Abenteuer"

Metzler betonte die 75-jährige Tradition und die dadurch entstandene große Erfahrung. 75 Jahre Bregenzer Festspiele seien "ein engagiertes Abenteuer", ein "vernünftiges Abenteuer", die Menschen hätten ein verbrieftes Recht auf Kunst und Kultur, die Relevanz von künstlerischer Äußerung sei existenziell.

"Kultur ist Überfluss", sei das, "was uns über das Tier erhebt", zitierte Metzler aus einem Text von Michael Köhlmeier. Durch die langjährige Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern schlage man auch eine Brücke nach Wien. Auch das Burgtheater bekomme in Bregenz Asyl, erklärte Metzler, "die Festspiele führen uns zusammen".

Der Festspielpräsident betonte auch die Überzeugungskraft der Gründungsväter, sowie die finanzielle Vernunft: Man werde verantwortungsvoll agieren mit den Geldern, "es geht auch um die nächsten 25 Jahre". Bregenz stehe "im Dienst von Bildung und Prosperität", abschließend lieferte Metzler noch ein Bekenntnis zur Musik, sie bringe "immer wieder Ordnung in das Chaos, das wir Menschen anrichten."

Mayer: "Wir brauchen das Schöne"

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer erinnerte an die seit März 2020 andauernde Coronakrise, die Kunst und Kultur besonders getroffen hätten. Diese Zeit habe auch gezeigt, "wie wichtig staatliche Kulturpolitik ist, die alles daran setzt, Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, ohne je in die Freiheit der Kunst eingreifen."

"Wir brauchen das Schöne, das Menschliche ,den Widerspruch, die Reibung, das Verblüffende, die Fantasie, den kritischen Blick", sagte Mayer. "Ohne Kunst können wir überleben, aber unser Menschsein kann das nicht."

Bregenzer Festspiele: Van der Bellen kritisiert Umgang mit Verfassung

Bei der Arie "Questa o quella" des Herzogs in "Rigoletto" falle er Halbsatz: "Ohne Freiheit gibt es keine Liebe." Mayer interpretierte diesen so um: "Wir waren nicht frei und manche wissen erst jetzt, was wir verloren hatten. Ohne Freiheit gibt es unsere große Liebe nicht, gibt es die Kunst nicht." 

Vorarlberg habe das früh erkannt, als "Modellregion für Öffnungsschritte" habe das westlichste Bundesland "ganz Österreich vorgezeigt, wie unter schwierigen Umständen ein öffentliches Leben möglich ist". Das und auch die Aussage, die Wiener Symphoniker könnten sich "zu einem Sechstel auch Bregenzer Symphoniker nennen", brachte Mayer langen Applaus ein.

Die Gründung der Festspiele im Jahr 1946 bezeichnet sie als "Symbol der Abwendung vom Nationalsozialismus", "um das Schöne wieder zum Leben zu erwecken. Die Seebühne sei "eingebettet in die Weite des Sees" und weite auch "den Blick in andere Länder."

Start mit "Nero"

Künstlerisch beginnen die Festspiele am Mittwochabend mit Arrigo Boitos "Nero" im Festspielhaus, am Donnerstag wird die Seebühnen-Inszenierung von Giuseppe Verdis "Rigoletto" wieder aufgenommen. Bis 22. August stehen insgesamt 80 Veranstaltungen auf dem Programm.

Alles in allem wurden rund 212.000 Tickets aufgelegt, davon entfallen etwa 192.000 Karten auf "Rigoletto". Mindestens 85 Prozent der Tickets waren bis Festspielbeginn gebucht. Bis zum Ende des Festivals wird "Rigoletto" 28 Mal aufgeführt, "Nero" drei Mal. Weiters im Festspiel-Programm sind unter anderem eine Theater-Fassung von Heinrich von Kleists "Michael Kohlhaas" oder die interdisziplinäre Filmoper "Upload" von Michael von Aa in Österreichischer Erstaufführung. 

INFO: 75. Bregenzer Festspiele 2021 von 21. Juli bis 22. August, Spiel auf dem See: "Rigoletto" von Giuseppe Verdi; Hausoper: "Nero" von Arrigo Boito; Weitere Informationen, gesamtes Programm und Tickets unter www.bregenzerfestspiele.com

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