Die Ingenieure nehmen es mit der Schöpfung auf

Ernst wilhelm Händler
"Der Überlebende": Der Philosoph und Betriebswirt beobachtet den Alltag in einem Konzern und wird fantastisch.

Was für ein Sonnenschein! „Ich hasse die nutzlos in sich vergaffte Natur der menschlichen Beziehungen.“

Das ist erst der Anfang. Es wird noch viel schlimmer kommen.

Der Ich-Erzähler in Ernst-Wilhelm Händlers Roman „Der Überlebende“ ist kein Menschenfreund. Experte für künstliche Intelligenz, leitet er das Leipziger Werk eines multinationalen Konzerns für Elektrotechnik. Sein Lebensinhalt ist sein Roboterlabor. Er betreibt es ohne Wissen der Konzernleitung. Die Geheimhaltung seines Tuns ist ihm so wichtig, dass er alle, die sich ihm vermeintlich in den Weg stellen, ausschaltet. Er lässt die Mitarbeiter überwachen und bildet sich ein, sie hätten sich gegen ihn verschworen. Zuerst kündigt er einer Sekretärin, die er verdächtigt, seine Aktivitäten hintertrieben zu haben. Dann wird ihm sein bester Freund und engster Mitarbeiter gefährlich, und zuletzt räumt er Frau und Tochter aus dem Weg.

Spröde

Stellenweise ist das etwas schwer zu verstehen, der IchErzähler spricht oft in Traumsequenzen, die man nicht gleich als solche erkennt. Die anfänglich messerscharfe Beobachtung des Konzernalltags („Dem Ministerpräsidenten erklärte ich nicht die Maschine, vor der wir standen, sondern eine andere, keiner merkte es“) weicht mit fortlaufender Handlung einer immer unwahrscheinlicheren Erzählung.

Eine spröde, hochphilosophische Angelegenheit.

Händler , 1953 in Regensburg geboren, studierte Betriebswirtschaftslehre und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über Logische Struktur und Referenz von mathematischen ökonomischen Theorien. Später übernahm Händler das familieneigene metallverarbeitende Unternehmen.

„Der Überlebende“ ist sein siebenter Roman.

Sprachlich brillant, erzählt Händler vom zynischen Büroalltag, wo Marketingvorstände Großkunden Briefe schreiben: „Ich liebe Sie.“

Die Ingenieure nehmen es mit der Schöpfung auf
Den Roman als Kritik an Technik oder Kapitalismus zu verstehen, wäre zu kurz gegriffen. Der Erzähler ist einer, der die Welt verändern will: „Meine Eltern behaupteten, eins der ersten Wörter, die ich aussprechen konnte, sei Rechenmaschine gewesen.“ Das Kind war schockiert, dass unzählige Bücher schilderten, wie man Dichter, Maler oder Komponist wird – aber keines beschrieb, wie aus jemandem ein Ingenieur wird! Das kann ja nicht gut gehen.

In Österreich sind Ingenieure oft schlecht beleumundet. Bei Händler nehmen sie es mit der Schöpfung auf. Sein paranoider Protagonist will das Universum beherrschen. Da sieht man, was passieren kann, wenn Computer-Nerds außer Kontrolle geraten.

KURIER-Wertung: **** von *****

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