"Endlich ein Held": Klaußner über Fritz Bauer

Burghart Klaußner als hessischer Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wird von den eigenen Beamten bei seiner Jagd auf Adolf Eichmann behindert: „Der Staat gegen Fritz Bauer“
Burghart Klaußner spielt den Staatsanwalt Fritz Bauer, eine Schlüsselfigur bei der Ergreifung des Nazi-Verbrechers Adolf Eichmann.

Kaum jemand kennt heute Fritz Bauer, doch das soll sich ändern. Bauer war jener hessische Generalstaatsanwalt, der 1957 den israelischen Geheimdienst auf die Spuren des Massenmörders Adolf Eichmann brachte. Dabei wurde er von seinen eigenen Beamten behindert.

Lars Kraumes packendes Kammerspiel "Der Staat gegen Fritz Bauer" erzählt von seinem couragierten Kampf um Gerechtigkeit. Und der deutsche Schauspieler Burghart Klaußner ("Das weiße Band") ist Bauers kongeniale Verkörperung. Jetzt im Kino.

KURIER: Herr Klaußner, die Welt entdeckt jetzt Fritz Bauer. Wussten Sie, wer er ist?

Burghart Klaußner: Ja, ich kannte ihn aus meiner Zeit an der Universität. Er war für meine Generation – also die 68er Generation – ein Vorbild. Allerdings war er mir nur als der Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse (Gerichtsverfahren, die 1963-1965 gegen Nazi-Täter geführt wurden, Anm.) bekannt.

Und dass er die heimliche Schlüsselfigur zur Ergreifung von Adolf Eichmann war?

Das wusste überhaupt niemand. Das weiß ja auch heute fast niemand. Jeder denkt, der Mossad sei ein cleverer kleiner Geheimdienst. Das dahinter der hessische Staatsanwalt Fritz Bauer aus Frankfurt stand, ist ja erst zehn Jahre nach seinem Tod bekannt geworden.

Was, glauben Sie, hat Fritz Bauer, der sogar von den eigenen Amtskollegen in seiner Arbeit behindert wurde, angetrieben? Rache war es ja wohl nicht...

Bauer hat am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Opfer der Nationalsozialisten zu sein. Sein eigenes Schicksal und das von Millionen Toten hat ihn angetrieben. Aber er war nicht rachsüchtig, ihm ging es vor allem um Aufklärung.Ein Verbrechen muss an die Öffentlichkeit, sonst ist es, als wäre es nicht geschehen. Und wenn ein Verbrechen an die Öffentlichkeit gekommen ist, muss es gesühnt werden. Doch Ziel der Sühne ist nicht die Rache, sondern Reue. Fritz Bauer war ein Mann, der auf Reue gesetzt hat. Und in diesem Punkt wurde er wirklich enttäuscht: Keiner der 22 Angeklagten im Auschwitz-Prozess hat bereut.

"Endlich ein Held": Klaußner über Fritz Bauer
Interview mit dem Schauspieler Burghart Klaußner am 08.10.2015 in Wien.

Fritz Bauer wollte auch unbedingt, dass Eichmann in Deutschland verurteilt wird, nicht in Israel.

Wahrscheinlich wäre es zu einem Eichmann-Prozess im eigenen Land gar nicht gekommen, denn die Widerstände waren sehr groß. Die deutsche – und auch die österreichische Regierung, denn wir sprechen ja von einem "Betroffenheitsraum" – war froh, dass der Mann in Israel vor Gericht kam. Die größte Sorge war ja, dass Eichmann Namen nennt.

Wie kamen Sie zu der Rolle?

Durch ein ganz normales Casting. Aber ich wollte die Rolle unbedingt haben. Nach all den dunklen Figuren, die ich gespielt habe, war das endlich einmal ein Held. Ein Mann, der durch-hält, der immer wieder aufsteht, ein Boxer, ein Cowboy. Einer gegen alle. Ein gebrochener Held. Kein Superman, ein realer Held. Einer der wenigen der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Sie kommen dem Mann Fritz Bauer verblüffend nahe. Wie ist Ihnen das gelungen?

Es entstand aus dem Studium seiner Biografie und den Filmaufnahmen, die es von ihm gibt. Wenn man als Schauspieler sein Leben lang Menschen beobachtet, ist man fassungslos vor Glück, dass es so viel verschiedene gibt. Und dann kann man, wenn man auf die kleinsten Dinge achtet, zu den tiefsten Gründen vorstoßen. Man achtet auf die Details und hat große Freude daran, wie durch ein Mikroskop auf den Grund zu schauen.

Das Schwäbische kam Ihnen als Berliner leicht über die Lippen?

Ja, ich liebe das. Ich mag Sprachen wahnsinnig gern, sie sind Musik. Und da ich ein absoluter Musikmensch bin, sind Sprachen und Dialekte für mich ein Fest. Schwaben zeichnen sich durch Sturheit, oder, um es positiv zu formulieren, durch Beharrlichkeit aus. Ich glaube, dass Bauer seinen Akzent auch beibehalten hat, um zu beweisen, wielange seine jüdische Familie in Deutschland assimiliert ist. Und dass er eben ein Deutscher, ja sogar ein Schwabe ist.

Ein US-Kritiker hat Sie in dieser Rolle als "hessischer Columbo" bezeichnet. Wie finden Sie das?

Das geht natürlich, typisch Amerikanisch, zu weit. (lacht). Aber Humor ist natürlich eine Überlebensstrategie. Fritz Bauer war auch im wirklichen Leben humorvoll, eine Farbe, die unbedingt in den Film musste.

Was haben Sie persönlich an die 50er Jahre für eine Erinnerung?

Die 50er Jahre waren von der Erleichterung geprägt, überlebt zu haben. Und was an Verbrechen oder selbst erlittenem Leid geschehen war, wurde verdrängt und war teilweise auch gar nicht bekannt. Für uns Kinder und Jugendliche herrschte vor allem weiterhin eine militärische Organisation der Gesellschaft vor. Nicht nur ein militärischer Ton, sondern auch das Hierarchische des Militärs. Es waren die Männer an der Macht und die brüllten im Notfall. Zu unterscheiden, ist das jetzt einfach ein böser Mann oder ein Nazi, hat man erst im Laufe der Zeit gelernt. Dazu bedurfte es eines Verständnis von Faschismus, das erst mit der 68er Bewegung stattfand.

Weil Sie von einer militaristischen Gesellschaft sprechen: Bei Michael Haneke in "Das weiße Band" haben Sie als Pastor eine sehr autoritäre Figur gespielt.

Die Figur des Pastors im "Weißem Band" gräbt vielleicht noch tiefer, sowohl in die Geschichte, als auch in die Seelenlandschaft eines Menschen, weil sie eine erfundene Figur ist. Haneke ist eben auch ein exzellenter Drehbuchschreiber.

Sie sind ja auch ein Schauspieler, der stark hinter seinen Rollen zurück tritt, oder?

Vielleicht habe ich das ja immer so gewollt: Ein Schauspieler zu sein und gleichzeitig zu verschwinden. Das ist schon ein Paradoxon, dass man diesen sehr öffentlichen Beruf wählt und gleichzeitig Wert darauf legt, nicht zu erscheinen. Aber es geht ja nicht nur um die eigene Person und irgendwelche großspurigen Eitelkeiten. Es geht ums Verschwinden. Ums Verschwinden hinter der Rolle – das ist das Interessante.

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