Elīna Garanča konkurrenzlos betörend im Wiener Konzerthaus
Nicht enden wollender Applaus: Bei „Advent mit Elina Garanča“ wurde gefeiert, aber ohne künstliche Show.
11.12.24, 12:27
Von Susanne Zobl
Bereits das erste Lied, „Repentir“ („Reue“) von Charles Gounod, gerät zum Ereignis. Es ist eines der letzten aus der Feder des französischen Komponisten. Es erzählt von einer Seele, die den Herrn um Vergebung bittet. Wenn Elina Garanča im nachtblauen Kleid im Wiener Konzerthaus ihre Stimme erhebt, geschieht das mit einer Innigkeit, die einen die Welt vergessen lässt.
Das ist pure Emotion gepaart mit Präzision. Da wird wahrhaftige Buße zu betörenden Tönen. Das Flehen lässt sie in allen Schattierungen mit ihrem geschmeidigen Mezzosopran fließen.
Ihr Ehemann Karel Mark Chichon bereitet ihr am Pult des sehr gut disponierten Tonkünstler-Orchesters, das ihm hochkonzentriert folgt, einen Klangteppich mit französischem Flair. Er hat das Programm für „Advent mit Elina Garanča“ konzipiert und das bestechend gut. Denn es signalisiert, es ist Weihnachten, es wird gefeiert, aber die künstliche Show findet hier nicht statt.
Wie bei einem Familienfest wird zuerst gebetet. Auf Gounod folgt Georges Bizets „Agnus Dei“. Stephen Costello intoniert dieses „Lamm Gottes“ mit seinem leicht metallen timbrierten Tenor klar und mit glaubwürdiger Demut. Dann ein Block mit „Ave Maria“ von Mascagni, Gounod und Vladimir Vavilov. Mit dem „Vaterunser“ von Albert Hay Malotte schließen Garanča und Costello den sakralen Teil.
Dann kommt die Bescherung
Mit Verve interpretierte Ausschnitte aus Tschaikowskys „Nussknacker“. Costello öffnet das erste Paket, die Arie des Rodolfo „Che gelida manina“ aus Puccinis „La Bohème“ und bringt seinen Tenor auf Touren. Dann kommt das schönste Geschenk: die Arie „Mon coeur s‘ouvre à ta voix“ aus Camille Saint-Saëns‘ „Samson et Dalia“.
Da ist La Garanča, jetzt in passendem Rot, ganz in ihrem Element. Das Gold ihrer Stimme fließt in prächtigsten Farben. Das ist Ausdruck, Eleganz, Verführung. Stets ist diese unvergleichliche Sängerin ganz bei sich, ganz der Musik verschrieben.
Mit Adolphe Adams „Cantique de Noel“ führen Garanča und Costello im Duett wieder zurück zum Fest. Chichon, der einige Stücke selbst bearbeitet hat, wendet sich vor Mozarts „Ave verum“ auf Englisch ans Publikum. In einem Orchester, seien oft bis zu 15 Nationen vertreten, Menschen mit Meinungsverschiedenheiten werden zu einer Einheit, denn es geht um das harmonische Miteinanderauskommen, betont Chichon. Deshalb werde das Orchester jetzt singen, denn die Botschaft ist Harmonie. Sie kam an und dann die Party.
Festlicher Frohsinn manifestiert sich in Stücken von Händels „Joy to the World“ bis John Lennons „Happy Xmas“. Weil Garanča zu Weihnachten als Kind in Lettland vor dem Haus ihrer Großmutter immer einen Schneemann gebaut hat, gibt’s zum Abschied noch „White Christmas“. Blumen, Bravos und Ovationen, die nicht enden wollten.
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