Keine Zeit
Die Opernhäuser geben jungen Sängerinnen und Sängern keine Zeit für Entwicklung, „alle wollen alles jetzt gleich sofort. Und wenn du in drei Jahren nicht mehr kannst? Der Nächste, bitte.“
Daher sei es wichtig, Vertrauenspersonen zu haben – und sie bietet den „Zukunftsstimmen“ diesen Rat und ihre Erfahrung an.
Ist das Business härter als damals, als sie angefangen hat? Garanča zögert. „Es gab immer Fälle, die wahnsinnig hell aufgeleuchtet haben und sich dann genauso schnell verbrannt haben“, sagt sie.
Aber „heutzutage wird alles dokumentiert, verewigt, mit Handys, bei jedem Konzert, jedem Auftritt, auch im Streaming. Durch die Mikrofone hört man es anders als im Zuschauerraum. Das ist ein Extra-Druck auf junge Sänger. Und natürlich die Social Media, mit ihren falschen Bilder von Erfolg und von Ruhm und von schönen Sachen.“ Falscher Ruhm? Nicht jeder Sänger, jede Sängerin muss ein Star an den großen Bühnen werden, sagt Garanča, aber die Social Media vermitteln diesen Druck. Sie höre „regelmäßig tolle Stimmen, deren Qualität oder Farbe vielleicht nicht für die weltbesten Theater geeignet ist. Aber man kann eine eigene Nische finden, komponieren, ausbilden, in Ensembles singen – und ein wirklich sehr glückliches Leben haben“, wenn es auch nicht jenes glanzvolle ist, dass den aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern vorgemacht wird, betont die Sängerin.
Was wäre denn vielleicht am Anfang ihrer Karriere ein ähnlicher Hinweis gewesen, der ihr geholfen hätte? „Vielleicht, dass ich mir mehr zutrauen hätte können, und manchmal noch mehr an meinem technischen Können arbeiten“, sagt sie. „Aber ich glaube, dass dieser harte Weg für mich sehr gut war, dass ich von Anfang an den kleinen Bühnen gesungen habe. Wenn man einmal in diesen Zug eingestiegen ist, rast der ohne Zwischenstation dahin. Ohne diese lange Vorbereitung hätte ich mit dem Druck vielleicht nicht so umgehen können. Manchmal war es auch für mich zu viel.“
„Immer weiter“
Gibt es einen Punkt, an dem man sich denkt: Jetzt habe ich es geschafft, vielleicht der erste Auftritt in Wien oder an der Met? „Nein. Man kann nicht sagen: Jetzt bin ich da und kann entspannen. Ich habe all diese kleinen und großen Erfolge als Trampolin für das nächste Projekt, für die nächsten fünf oder zehn Jahre gesehen. Es ist wie beim Sport. Beim ersten Weitsprung wird man keinen Weltrekord schaffen. Man muss immer weiter. Geduld und Disziplin machen einen lange erfolgreichen Künstler aus.“
Aber gibt es auch Punkte, wo man nicht weiterkommt, wo man stagniert oder den Kurs der Karriere ändern muss? „Sicher. Ich habe das gut versteckt durch die Geburt meiner Kinder“, sagt die Sängerin mit einem Lachen. „Mein Mann und ich wollten von Anfang an Kinder, aber es war nie der richtige Zeitpunkt. Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass dieser wahnsinnige Schnellzug gestoppt werden muss. Irgendwann kann man nicht mehr so viele Konzerte in einem Jahr singen, immer im Hotel und immer im Flugzeug und immer andere Orchester. Ich sagte mir, so, jetzt will ich zwei, drei Jahre nur Oper singen und drei, vier Wochen an einem Ort genießen. Derzeit will ich mehr zu Hause sein bei den Kindern, die werden größer und brauchen mich auf eine andere Art. Nur Opernsängerin, nur Mozart? Dafür ist das Leben viel zu bunt. Und irgendwann öffnen sich wieder andere Türen.“
Zukunftspläne
Etwa die Kundry im „Parsifal“? „Das ist eine unglaublich tolle Partie“, schwärmt Garanča, die sich früher „nie gedacht hätte, Wagner zu singen. Aber jetzt ist es geschehen!“
Woran sie am Beginn ihrer Karriere auch nicht gedacht hatte, ist, dass es irgendwann „Zeit ist, zu überlegen, dass es einmal enden wird“, sagt Garanča über ihre Karriere. „Wann? In 10, 12 oder 18 Jahren? Ich bin noch nicht bereit! So lange ich noch will, werde ich singen.“ Aber jene Sänger, die „ich als junge Sängerin bewundert habe, steigen langsam alle aus. Natürlich überlege ich: Was will ich die nächsten Jahre machen? Und dann mache ich das.“ Einer dieser Zukunftspläne ist schon fix: Auch 2025 wird es „Klassik unter Sternen“ geben.
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