Elfriede Ott: Das Ende einer Ära
Wenn sie so dasitzt im Fauteuil ihrer Wiener Innenstadtwohnung, wirkt sie genau so, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen. Elfriede Ott hat sich ihr vitales Naturell erhalten. Und doch gibt sie mit diesem Interview bekannt, dass sie in Zukunft wohl nicht mehr als Schauspielerin auf der Bühne stehen wird. Schuld ist das linke Knie. „Es hat vor drei Jahren begonnen, als ich in den Kammerspielen in ,Eine etwas sonderbare Dame‘ aufgetreten bin, da musste ich mich schon an den Möbeln festhalten, um spielen zu können.“
Angst vor den Stufen
Elfriede Ott bekam ein neues Knie, doch damit war’s nicht getan, es folgte eine zweite Operation. „Die Ärzte sagten immer, es wird besser, aber es wurde nicht besser.“ Die Ott spielte dennoch weiter, schleppte sich von einer Vorstellung zur anderen, ihre Auftritte wurden so verändert, dass sie mehr sitzen durfte als gehen oder stehen zu müssen. In der musikalischen Collage „Eh wurscht“ stand sie am 9. Jänner 2011 zum letzten Mal auf der Bühne des Theaters in der Josefstadt, „da hatte ich schon Angst vor den paar Stufen, die zur Bühne hinunterführen.“ (Runterscrollen um weiterzulesen)
Andere hätten vielleicht gesagt: Ich habe in meinem Leben so viel gespielt – ich geh jetzt in Pension. Nicht so die Ott, die in wenigen Wochen ihren 88. Geburtstag feiert: „Wir Schauspieler sind anders“, sagt sie. Und so trat sie noch im Vorjahr bei den von ihr geleiteten Nestroy-Spielen auf Burg Liechtenstein in der Posse „Umsonst“ auf, wieder mehr sitzend als in Bewegung. Am 19. August 2012 war die letzte Vorstellung.
Die Karriere von Elfriede Ott
Aus für Nestroy-Spiele
Dann kam das bittere Aus für ihr liebstes Kind: Die Nestroy-Spiele finden heuer zum ersten Mal nach 30 Jahren nicht statt, weil die Familie Liechtenstein den Pachtvertrag ohne jede Begründung aufkündigte. Hat Elfriede Ott bis vor Kurzem noch daran gedacht, irgendwann doch wieder auf einer Bühne stehen zu können, so ist diese Hoffnung jetzt geschwunden, da sich alle infrage kommenden Ausweichquartiere als ungeeignet erwiesen.
Nun hat die Ott kein Theater mehr, denn auch ihr Vertrag mit der Josefstadt, deren Star sie fast sechs Jahrzehnte war, ist infolge ihres lädierten Knies ausgelaufen.
Wenn die Ott nicht mehr spielt, ist das Ende einer Ära gekommen. Aber sie will das nicht auf sich allein bezogen wissen. Die Ära sei schon mit dem Hingang ihrer Bühnenpartner Ernst Waldbrunn, Alfred Böhm, Maxi Böhm und Fritz Muliar beendet worden, mit denen sie für Generationen das Wiener Boulevardtheater beherrscht hatte. „Wenn heute ein Stück lustig ist, dann geht es stark ins Negative, das war bei uns anders, da konnte man noch unbeschwert lachen.“
Das Publikum konnte unbeschwert lachen – doch der Ott war oft gar nicht danach zumute, wie sie verrät: „Ich litt mein Leben lang unter Depressionen, manchmal hab ich auf meinen Auftritt gewartet und mir gedacht, es wird überhaupt nicht gehen. Dann bin ich hinausgegangen und in dem Moment, als ich die Leute gespürt hab und als die ersten Lacher kamen, war die Depression vergessen. Das Spielen war eine Therapie für mich.“
Die dunklen Gedanken sind wohl die Folge eines traumatischen Jugenderlebnisses: Als sie 18 war, blieb sie beim Umsteigen am Bahnhof Zell am Moos mit einem Schuh an den Schienen hängen. Ihr Vater riss sie vom Gleis, wurde dabei von einem Zug erfasst und getötet. „Ich bin am Leben, weil er gestorben ist“, sagt sie. Das Gefühl mit schuld zu sein, ist sie bis heute nicht losgeworden.
Weiter arbeiten
Mit dem Theaterspielen aufzuhören, bedeutet nicht, dass die Ott untätig bleibt, ganz im Gegenteil: Morgen, Montag, wird eine Ausstellung mit neuen Bildern der Malerin Elfriede Ott eröffnet, in zwei Wochen kommt ihr neues Anekdotenbuch „Worüber ich lache“ heraus, mit dem sie auf Lesetournee gehen wird, und sie unterrichtet nach wie vor drei Mal in der Woche an ihrer „Elfriede Ott Schauspielakademie“. Dass heute an allen Wiener Theatern und in jedem Fernsehkrimi ihre ehemaligen Schüler mitspielen, macht sie stolz.
Ebenso wie die Tatsache, dass „überall, wo ich hinkomme die Leute zu mir sagen, ich danke Ihnen, weil wir durch Sie so viel lachen konnten, Sie haben uns im Theater, im Fernsehen und mit ihren Soloprogrammen viel Freude bereitet.“
Regie führen
Die Ott beginnt langsam zu akzeptieren, dass sie nach einem Leben mit Tausenden Bühnen- und TV-Auftritten nicht mehr spielen wird. Viel mehr noch fehlt ihr aber das Regieführen. „Ich hab schon als Kind immer inszeniert und würde gern wieder Regie führen, aber auf diesem Gebiet herrscht ein Überangebot, jeder will Regie führen.
Den Wunsch vieler ihrer Kollegen, „auf der Bühne zu sterben“, hatte sie ohnehin nie. „Das sagt man so, aber stellen Sie sich vor, das passiert wirklich. Das wäre ja entsetzlich.“
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