Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Besuch bei Elfriede Ott zuhause in Wien am 03.04.2013
Nach fast 70 Jahren verlässt die Volksschauspielerin die Bühne. Und bleibt dennoch aktiv.

Wenn sie so dasitzt im Fauteuil ihrer Wiener Innenstadtwohnung, wirkt sie genau so, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen. Elfriede Ott hat sich ihr vitales Naturell erhalten. Und doch gibt sie mit diesem Interview bekannt, dass sie in Zukunft wohl nicht mehr als Schauspielerin auf der Bühne stehen wird. Schuld ist das linke Knie. „Es hat vor drei Jahren begonnen, als ich in den Kammerspielen in ,Eine etwas sonderbare Dame‘ aufgetreten bin, da musste ich mich schon an den Möbeln festhalten, um spielen zu können.“

Angst vor den Stufen

Elfriede Ott bekam ein neues Knie, doch damit war’s nicht getan, es folgte eine zweite Operation. „Die Ärzte sagten immer, es wird besser, aber es wurde nicht besser.“ Die Ott spielte dennoch weiter, schleppte sich von einer Vorstellung zur anderen, ihre Auftritte wurden so verändert, dass sie mehr sitzen durfte als gehen oder stehen zu müssen. In der musikalischen Collage „Eh wurscht“ stand sie am 9. Jänner 2011 zum letzten Mal auf der Bühne des Theaters in der Josefstadt, „da hatte ich schon Angst vor den paar Stufen, die zur Bühne hinunterführen.“ (Runterscrollen um weiterzulesen)

Andere hätten vielleicht gesagt: Ich habe in meinem Leben so viel gespielt – ich geh jetzt in Pension. Nicht so die Ott, die in wenigen Wochen ihren 88. Geburtstag feiert: „Wir Schauspieler sind anders“, sagt sie. Und so trat sie noch im Vorjahr bei den von ihr geleiteten Nestroy-Spielen auf Burg Liechtenstein in der Posse „Umsonst“ auf, wieder mehr sitzend als in Bewegung. Am 19. August 2012 war die letzte Vorstellung.

Die Karriere von Elfriede Ott

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

In ihrem ersten Kinofilm spielte sie mit 85 Jahren und machte ihn gleich zum bestbesuchten österreichischen Film des Jahres 2010: Andreas Prochaskas "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" machte die Schauspielerin auch bei einem jüngeren Publikum bekannt.

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Doch schon viel früher stand Elfriede Ott im Zentrum des größten Satellitensystems des geistreichen Humors, mit Ernst Waldbrunn, Maxi Böhm (Bild), Hugo Wiener, Hans Weigel, Fritz Muliar und vielen anderen.

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Elfriede Ott mit Ernst Waldbrunn

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

"Katzenzungen", 1966 am Theater in der Josefstadt

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Mit Fritz Muliar in "Der Panther" von Felix Mitterer

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Elfriede Ott bei der ROMY-Gala. 2009 wurde der Publikumsliebling mit der Platin-KURIER-ROMY für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

In der Fernseh-Comedy-Show "Was lachen Sie?"

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Elfriede Ott in einem KURIER-Interview

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära

Elfriede Ott mit KURIER-Autor Georg Markus

Aus für Nestroy-Spiele

Dann kam das bittere Aus für ihr liebstes Kind: Die Nestroy-Spiele finden heuer zum ersten Mal nach 30 Jahren nicht statt, weil die Familie Liechtenstein den Pachtvertrag ohne jede Begründung aufkündigte. Hat Elfriede Ott bis vor Kurzem noch daran gedacht, irgendwann doch wieder auf einer Bühne stehen zu können, so ist diese Hoffnung jetzt geschwunden, da sich alle infrage kommenden Ausweichquartiere als ungeeignet erwiesen.

Nun hat die Ott kein Theater mehr, denn auch ihr Vertrag mit der Josefstadt, deren Star sie fast sechs Jahrzehnte war, ist infolge ihres lädierten Knies ausgelaufen.

Wenn die Ott nicht mehr spielt, ist das Ende einer Ära gekommen. Aber sie will das nicht auf sich allein bezogen wissen. Die Ära sei schon mit dem Hingang ihrer Bühnenpartner Ernst Waldbrunn, Alfred Böhm, Maxi Böhm und Fritz Muliar beendet worden, mit denen sie für Generationen das Wiener Boulevardtheater beherrscht hatte. „Wenn heute ein Stück lustig ist, dann geht es stark ins Negative, das war bei uns anders, da konnte man noch unbeschwert lachen.“

Das Publikum konnte unbeschwert lachen – doch der Ott war oft gar nicht danach zumute, wie sie verrät: „Ich litt mein Leben lang unter Depressionen, manchmal hab ich auf meinen Auftritt gewartet und mir gedacht, es wird überhaupt nicht gehen. Dann bin ich hinausgegangen und in dem Moment, als ich die Leute gespürt hab und als die ersten Lacher kamen, war die Depression vergessen. Das Spielen war eine Therapie für mich.“

Die dunklen Gedanken sind wohl die Folge eines traumatischen Jugenderlebnisses: Als sie 18 war, blieb sie beim Umsteigen am Bahnhof Zell am Moos mit einem Schuh an den Schienen hängen. Ihr Vater riss sie vom Gleis, wurde dabei von einem Zug erfasst und getötet. „Ich bin am Leben, weil er gestorben ist“, sagt sie. Das Gefühl mit schuld zu sein, ist sie bis heute nicht losgeworden.

Weiter arbeiten

Mit dem Theaterspielen aufzuhören, bedeutet nicht, dass die Ott untätig bleibt, ganz im Gegenteil: Morgen, Montag, wird eine Ausstellung mit neuen Bildern der Malerin Elfriede Ott eröffnet, in zwei Wochen kommt ihr neues Anekdotenbuch „Worüber ich lache“ heraus, mit dem sie auf Lesetournee gehen wird, und sie unterrichtet nach wie vor drei Mal in der Woche an ihrer „Elfriede Ott Schauspielakademie“. Dass heute an allen Wiener Theatern und in jedem Fernsehkrimi ihre ehemaligen Schüler mitspielen, macht sie stolz.

Ebenso wie die Tatsache, dass „überall, wo ich hinkomme die Leute zu mir sagen, ich danke Ihnen, weil wir durch Sie so viel lachen konnten, Sie haben uns im Theater, im Fernsehen und mit ihren Soloprogrammen viel Freude bereitet.“

Regie führen

Die Ott beginnt langsam zu akzeptieren, dass sie nach einem Leben mit Tausenden Bühnen- und TV-Auftritten nicht mehr spielen wird. Viel mehr noch fehlt ihr aber das Regieführen. „Ich hab schon als Kind immer inszeniert und würde gern wieder Regie führen, aber auf diesem Gebiet herrscht ein Überangebot, jeder will Regie führen.

Elfriede Ott: Das Ende einer Ära
AUSSTELLUNG: „Unterwegs zu mir“, neue Bilder von Elfriede Ott, 8. April bis 10. Mai im WIFI, 1180 Wien, Währinger Straße 97.BUCH-TIPPElfriede Ott, „Worüber ich lache“, erlebte und gesammelte Anek-doten, Amalthea Verlag, 22,95 €, im Handel ab 24. April.
Ich habe mich in meinem Leben nie um etwas beworben, am Theater muss man aufgefordert werden.“ Hätte sie wieder ein Sommertheater, würde sie inszenieren und vielleicht auch spielen, „da fänden wir schon was, dass ich sitzen kann, aber ich glaube nicht mehr daran.“

Den Wunsch vieler ihrer Kollegen, „auf der Bühne zu sterben“, hatte sie ohnehin nie. „Das sagt man so, aber stellen Sie sich vor, das passiert wirklich. Das wäre ja entsetzlich.“

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