„Mir ist wichtig, dass jede Person etwas aus meiner Arbeit herausholen kann“, sagt Ofer Lellouche. Der grauhaarige Mann mit dem markanten Gesicht spricht leise, bedächtig, nie einschüchternd. Auch wenn seine Bilder und Skulpturen, die in der Pfeilerhalle der Albertina bis 19. September ausgestellt sind, mitunter düster anmuten, wohnt ihnen doch auch eine Ruhe und Balance inne, die sich beim Gang durch die Ausstellung sofort überträgt.
Der in seiner Heimat Israel hoch angesehene, in Österreich wenig bekannte Lellouche malt seit Jahrzehnten sich selbst. Seine Kopfform ist in all den Werken wiederzuerkennen, auch wenn die Figuren meist keine Nasen oder Ohren haben. Angehörige der Harry-Potter-Generation (sind wir das nicht alle?) werden an der Assoziation mit dem gesichtslosen Lord Voldemort nicht vorbeikommen, doch zeigen Lellouches Bilder nachgerade das Gegenteil davon: Ist der böse Magier ein Nicht-Mehr-Mensch, begegnet bei Lellouche einer, der Noch-Nicht-Mensch ist, ein ständiges „work in progress“.
Projekt Mensch
Hier scheint sich einer ständig selbst zu entwerfen, die Masken, die Gesellschaft oder Herkunft dem Menschen aufgesetzt haben, werden abgenommen und verworfen: Der Gedankengang des Philosophen Vilém Flusser, wonach der Mensch die Chance habe, vom Subjekt zum Projekt zu werden, fällt einem ein. Lellouche selbst formuliert es schlicht: „Ich bin hier – das ist mein Thema“, sagt er.
Es ist die Beharrlichkeit und die Reduktion der Mittel, die den Prozess der permanenten Auseinandersetzung mit sich selbst in der Albertina-Schau so packend macht – Lellouche selbst lobte sie wegen ihrer Präzision als seine „bisher beste“ Ausstellung.
Anlass sei eine umfassende Schenkung des Künstlers gewesen, zudem bestehe eine lange Verbindung, erklärt Kuratorin Elsy Lahner: Seit 2008 habe das Museum rund 80 Werke Lellouches in seine Sammlung aufgenommen. Die Arbeiten zeigen eine Verwandtschaft mit den Selbstporträts des US-Künstlers Jim Dine, die die Albertina 2016 zeigte und ebenfalls im Bestand hat – Dine und Lellouche sind auch gut befreundet.
Die 46 Werke, die die Albertina zeigt, gehen aber über die Sammlung hinaus, insbesondere neue, große Gemälde erweitern das Spektrum: Auf ihnen malte sich Lellouche neben einem übergroßen Kopf, der „Büste des Vaters“, wie es in den Titeln heißt. Die Figur des „Vaters“ sei aber metaphorisch zu verstehen, sagt Lellouche – „als einer der Mentoren, die den Helden verlassen, sobald er die Schwelle zum gelobten Land erreicht hat“. Da steht der Mensch dann, alleine und noch immer nicht vollständig geformt.
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