Eine Fahrscheinkontrolle als Begrüßung in der Heimat

Die 19-jährige Käthe Sasso 1945 im Garten des Belvedere, wenige Monate, nach dem sie dem Todesmarsch der SS entkommen war.
Eine Auswahl an österreichischen Buchneuerscheinungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Mit ihrer Freundin, der Posch Mitzi, die sie in der Gemeinschaftszelle im Konzentrationslager Ravensbrück kennen gelernt hatte, konnte Käthe Sasso in der ersten Nacht des Todesmarsches nach Bergen-Belsen der SS entkommen. Unter dramatischen Umständen gelang den beiden die Flucht. Über die Reichsbrücke kamen sie dann nach Wien, sahen eine Straßenbahn. Mitzis Füße waren verwundet, die Mädchen stiegen ein. Die Straßenbahn war voll und die Schaffnerin (" sie hat ein Abzeichen getragen, ich sage jetzt nicht, welches") verlangte einen Fahrschein. "Bitte, wir zwei kommen aus dem KZ, wir haben kein Geld. Wir können uns keinen Fahrschein kaufen." Die Tramway war voller Leute. "Niemand hat ein Ohrwaschel gerührt. Die Schaffnerin mit dem schönen Abzeichen hat zur Schnur raufgegriffen und hat uns gezwungen, auszusteigen. Das war die Begrüßung in der Heimat."

Eine Fahrscheinkontrolle als Begrüßung in der Heimat
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So schildert die Widerstandskämpferin Käthe Sasso die letzten Kriegstage inEvelyn SteinthalersWien 1945. (Milena, 18,90 €). Anhand von Erinnerungen von Zeitzeugen (Vilma Neuwirth, Käthe Sasso, Rudolf Gelbard und Richard Wadani) erzählt das Buch vom Kriegsende und den ersten Schritten in eine neue Zeit. Zudem schildert eine Chronik die letzten Kriegstage, die Befreiung und die ersten Monate des Friedens. Die "Vier im Jeep", der Schleichhandel, und die bewegende Weihnachtsansprache 1945 von Bundeskanzler Leopold Figl kommen vor: "Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben. Kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich."
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InAndreas Kubas BuchKinder des Kriegs(Ecowin, 19,95 €) erzählen Frauen und Männer, geboren zwischen 1928 und 1945, in persönlichen Geschichten, wie sie den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Der Buchhändler Helmut Godai aus Wien etwa, er bekommt heute noch eine Gänsehaut, wenn er daran denkt, wie er als Kindersoldat mit dem Gesicht zur Wand gestellt wurde, um erschossen zu werden. Und Dorit Sonnabend spürt in Mondscheinnächten ein Kribbeln auf der Haut, ihr Kopf vibriert, und sie hat Angst, dass sie wieder in den Luftschutzkeller muss, wie damals, als kleines Mädchen, zu dem die Mutter sagte: "Komm auf meinen Schoß, dann sterben wir gemeinsam."
Eine Fahrscheinkontrolle als Begrüßung in der Heimat
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Eine unglaubliche, aber wahre Geschichte erzählt der amerikanische HistorikerStephen HardinginDie letzte Schlacht (Zsolnay, 25,60€): Anfang Mai 1945 kämpften GIs und Wehrmachtssoldaten Seite an Seite gegen die Waffen-SS, die auch nach Hitlers Selbstmord noch nicht aufgeben wollte. Auf einer mittelalterlichen Burg in Brixen kam es zum Showdown.
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Johannes SachslehnerundRobert Bouchal dokumentieren inAngriff auf Wien(Styria Premium, 26,99 €) die Ereignisse im April 1945, als Wien zum Verteidigungsbereich erklärt wurde und Hitler forderte, die Stadt müsse "bis zum Letzten" gehalten werden.
Eine Fahrscheinkontrolle als Begrüßung in der Heimat
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Ein Standardwerk zum Kriegsende istManfred RauchensteinersDer Krieg in Österreich 1945(Amalthea, 29,95€). Der Zeithistoriker, ehem. Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, beschreibt darin Österreich als Kriegsgebiet und die Geburtsstunde der Zweiten Republik.

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