Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Kritik. "Hedda Gabler" im Theater in der Josefstadt: Präzise, aber nicht zum Leben erwacht.

Es fängt leider schon problematisch an. Michael Dangl (er spielt den spießigen Dozenten Jörgen Tasman wie einen Teddybären auf Antidepressiva) und Marianne Nentwich (als „Tante Juju“ an akutem Schmuse-Zwang laborierend) legen eine Auftaktszene hin, dass man glaubt, man befände sich in den Kammerspielen, ca. 1970. Ein ältliches Fräulein, das den geliebten Neffen mit gespitzten Lippen quer über die Bühne verfolgt: So was galt ja wirklich einmal als lustig, in sogenannten „turbulenten Verwechslungskomödien“.

Sie ist so

Leider befinden wir uns hier aber in „Hedda Gabler“. Also in Henrik Ibsens Charakterstudie einer Frau, die nichts empfinden kann. Und die im verzweifelten Versuch, wenigstens irgend etwas zu fühlen (Psychotherapeuten von heute würden sagen: sich zu spüren) zuerst ihre Umgebung und dann sich selbst vernichtet. Das Empörende daran: Ibsen gibt uns keinen Hinweis darauf, warum Hedda Gabler so ist. Sie ist einfach so, und aus.
Alexandra Liedtke inszeniert in ihrer zweiten Josefstadt-Arbeit genau dieses „Sie ist einfach so“. Sie zeigt „Hedda Gabler“ und interpretiert nicht. Der stark gekürzte Text wird präzise und klar, unter Verzicht auf Effekte und sogenannte „Regie-Einfälle“ auf die Bühne gebracht. Warum nicht einmal das Publikum vor die Zumutung stellen, selber denken zu müssen?

Solo

Man kann sich als Regisseur diese Haltung leisten, wenn man eine Hauptdarstellerin wie Maria Köstlinger zur Verfügung hat: Sie spielt die Hedda Gabler, als wäre diese ein seltsames, gefährliches, noch zu wenig erforschtes Raubtier. Und das ist erstens eine durchaus logische Sichtweise und bietet zweitens die Möglichkeit, ein schönes, furioses Köstlinger-Solo auf die Bühne zu stellen.

Ach ja, die Bühne: Warum diese so aussehen muss, als würde Hedda Gabler in Teppichland spielen, weiß vermutlich nur Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt. Die fade Textilwand ermüdet das Auge und hemmt das Spiel. Ständig klettert jemand darüber und man fragt sich. Warum eigentlich?

Impressionen des Stückes

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Ein seltsames Raubtier im Teppichland

Verhaltensoriginell

Raphael von Bargen, das sei noch erwähnt, spielt mit vollem Körpereinsatz Heddas Exgeliebten Lövborg als verhaltensoriginellen Spätpubertierenden – eine tolle, virtuose Darstellung. Die anderen Schauspieler sind fehlerlos, aber eher blass. Sie spielen das zu Erwartende.

Fazit: Das ist eine gescheite, genaue, sehr spannende Inszenierung – die leider zumindest am Premierenabend nicht zum Leben erwacht.
(Wer Lust hat, zu vergleichen: In München läuft eine hoch interessante Inszenierung von Martin Kušej mit Birgit Minichmayr).
Das ein wenig ratlos wirkende Publikum spendete freundlichen, aber kurzen Beifall.

KURIER-Wertung: **** von *****

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