Rollenstudium am Schießstand

Rollenstudium am Schießstand
Alexandra Liedtke inszeniert Ibsens "Hedda Gabler" mit Maria Köstlinger in der Josefstadt. Im Interview sprechen Sie über ihre erneute Zusammenarbeit.

Regisseurin Alexandra Liedtke und Hauptdarstellerin Maria Köstlinger wirken beneidenswert entspannt und fröhlich – und das zwei Tage vor der Premiere.

KURIER: Suchen Sie bis zum Schluss nach Erkenntnissen, oder haben Sie das wichtigste schon gefunden?
Alexandra Liedtke: Ich weiß jetzt, wo der Abend hinführt. Und gerade dann greife ich wieder Dinge heraus. Heute habe ich an einer Geste, die nur drei Sekunden dauert, eine halbe Stunde gearbeitet. Mir ist es wichtig, zu sagen: Es gibt Momente, die wichtig sind, die schauen wir uns noch einmal an.

Maria Köstlinger: Man weiß, welchen Weg man gehen möchte. Aber es gibt Dinge, wo der Kopf noch raucht!

Sie beide arbeiten offenbar gut zusammen, Ihre gemeinsame Arbeit „Blackbird“ an der Josefstadt wurde gefeiert.
Köstlinger: Das war eine ganz andere Arbeit, ein sehr modernes Stück. Aber wir haben gemerkt, dass wir gut harmonieren. Und jetzt arbeiten wir an einem schwierigen Ibsen – und das ist spannend.

"Hedda Gabler": Die ersten Bilder und worum es geht

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Fortsetzung Interview

Sind Sie einander ähnlich im Temperament ? (beide lachen).
Liedtke: Wahrscheinlich sind wir uns ähnlicher, als wir zugeben wollen. Nein, wir sind schon unterschiedlich, aber wir verstehen das Temperament des jeweils anderen.

Was macht die Figur „Hedda Gabler“ so schwierig?

Liedtke: Was uns auffiel in den ersten beiden Probenwochen: Dass jeder, vom Hospitanten bis zum Hauptdarsteller, eine andere Meinung über diese Figur mitbrachte.

Köstlinger: Vom Portier bis zum Hauptdarsteller! Man trifft immer zwei Fraktionen. Die einen sagen: Tolles Stück, wie ein Krimi, es zieht einen hinein. Und dann gibt es die Gegner, die sagen: Was soll dass? Der Helmuth Lohner hat immer zu mir gesagt: Ich versteh das nicht – was ist mit der?

Liedtke: Ibsen hat bewusst so viele Dinge offengelassen. Das ist nicht „Richard III.“, wo man sagen kann: Der ist böse. Wie weit Hedda Täterin ist und wie weit Opfer der Umstände – das ist sehr weit auslegbar.

Ist das eine Figur, die man mögen kann, wenn man sie spielt?
Köstlinger: Ja, ich mag sie trotzdem, trotz aller schlechten Seiten, die sie hat. Es macht natürlich auch Spaß, die Boshaftigkeit, die drin steckt, zu spielen.

Liedtke: Ich muss sie nicht mögen. Aber ich muss sie verstehen. Die ganze Welt, die Hedda umgibt, ist durch egoistische Motive geprägt. Diese Welt lässt nicht viel Freundlichkeit zu.

Was treibt diese Figur an zu ihrem Zerstörungswerk?
Liedtke: Das kommt aus einem Leid heraus, wobei wir nicht erfahren, was das Leid in der Vergangenheit war. Und es ist die Einsicht, dass sie sich in ein Leben begeben hat, aus dem sie nicht mehr herauskommen wird. Ihr Leid ist ja, dass sie mit anderen nicht mitfühlen kann, weder Leid noch Freude.

Köstlinger: Ihr bleibt als Einziges die Schadenfreude.

Hedda hat eine Waffen-Obsession – stimmt es, dass Sie einen Schießstand besucht haben?
Köstlinger: Ja, das stimmt. Das war eine heftige Erfahrung. Mit einer tatsächlichen Waffe auf etwas hinzuballern – da passiert etwas an Aggression und Adrenalinausstoß.

Liedtke: Ich war erschrocken, wie leicht das geht.

Frau Liedtke, Sie inszenieren mit Erfolg an der Josefstadt, vorher arbeiteten Sie an der Burg – und waren Vorwürfen ausgesetzt, Sie wären Nutznießerin der Tatsache, dass Ihr Mann dort Direktor ist.
Liedtke: Die Wahrheit ist ja: Diese Tatsache ist eher ein Problem, denn ich muss mich immer rechtfertigen – es reicht nicht, mit einer Inszenierung durchzukommen, sie muss besonders gut sein. Ich habe tatsächlich nur eine Inszenierung an der Burg gemacht, aber im letzten Jahr vier an anderen Häusern. Ja, ich fühle mich sehr wohl an der Josefstadt.

Die Hedda Gabler ist eine der am übelsten beleumundeten Frauenfiguren der Dramenliteratur. Gerade kommt sie von der Hochzeitsreise zurück, offenbar ist sie schwanger, ihr Mann ist ein erfolgreicher Wissenschaftler. Die gesellschaftliche Erwartung an sie lautet: glücklich sein! Doch das geht sich nicht aus. Denn Hedda Gabler liebt nicht, weder ihren Mann, noch ihre Verehrer. Sie empfindet nämlich gar nichts – warum, das erfahren wir nicht. Ihr einziges Vergnügen besteht darin, andere zu manipulieren und letztlich zu zerstören. So zerstört sie am Ende auch konsequent sich selbst.

Dennoch ist Hedda Gabler für Hauptdarstellerin Maria Köstlinger nicht eindeutig „böse“: „Jede Figur in diesem Stück zeichnet sich durch großen Egoismus aus. Dadurch kann man auch Hedda verstehen.“ Für Regisseurin Alexandra Liedtke ist Heddas Zerstörungswerk durch die Einsicht begründet, „dass sie sich in ein Leben begeben hat, aus dem sie nicht mehr herauskommen wird“.

Verständlich

Ibsen schrieb das Stück 1890, doch der Text und die Konflikte darin sind heute genauso verständlich wie damals. Man braucht keine Betriebsanleitung, keine Sekundärliteratur über die Konventionen und gesellschaftlichen Regeln von damals – Hedda Gabler ist, so Liedtke, „anders als andere Figuren ganz zeitlos“.
Hedda Gabler wird oft als eine „männlich“ agierende Frauenfigur interpretiert. Die Regisseurin stimmt dem nicht zu, findet aber einen Gedanken interessant: Wäre Gabler ein Mann, dann würden ihre Eigenschaften – Narzissmus und Egoismus – nicht so eindeutig negativ gesehen.

Hedda Gabler“ ist die zweite Zusammenarbeit von Liedtke und Köstlinger, nach David Harrowers „Blackbird“ 2011 – mit dem sie einen großen Erfolg feiern konnten. Liedtke, mit Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann verheiratet, inszenierte zuletzt in der Josefstadt und am Salzburger Landestheater.

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