Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

Rainer Trost als Pylade und Veronique Gens als Iphigenie
Kritik.Glucks "Iphigénie en Aulide et Tauride" als kluges, packendes, forderndes Musiktheater.

Zwei Opern von Gluck zu einem Abend gebündelt – kann das gut gehen? Es kann. Und wie! Denn mit der Kombination von Christoph Willibald Glucks "Iphigénie en Aulide" und der "Iphigénie en Tauride" ist dem Theater an der Wien wieder ein musiktheatralischer Wurf geglückt.

2010 hatte Regisseur Torsten Fischer seine Deutung der "Iphigénie en Tauride" an der Wien gezeigt, 2012 folgte die Neuproduktion der "Iphigénie en Aulide". Nun haben Fischer und seine kongenialen Ausstatter Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos beide Werke zu einem stringenten, düsteren, psychologisch aufgearbeiteten Familiendrama geformt. Im Zentrum steht dabei natürlich die Titelfigur Iphigénie, die in einem riesigen, kalten (Mauern-)Labyrinth erst von ihrem Vater geopfert werden, später als Gefangene auf Tauris selbst Menschenopfer darbringen soll.

Szenenfotos aus "Iphigénie en Aulide et Tauride"

Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

FOTOPROBE "IPHIGENIE EN AULIDE ET TAURIDE"
Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

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Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

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Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

FOTOPROBE "IPHIGENIE EN AULIDE ET TAURIDE"
Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

FOTOPROBE "IPHIGENIE EN AULIDE ET TAURIDE"
Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

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Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

FOTOPROBE "IPHIGENIE EN AULIDE ET TAURIDE"
Ein Psychothriller, der unter die Haut geht

FOTOPROBE "IPHIGENIE EN AULIDE ET TAURIDE"

Trauma und Terror

Fischer zeigt in betörender Konsequenz eine dysfunktionale Familie in einer Welt, die von Macht, Mord, Krieg und Terror (IS lässt dezent grüßen) geprägt ist. Jeder hier ist Opfer und Täter zugleich, jeder schleppt sein persönliches Trauma mit sich herum. Und das Ende? Eine Flüchtlingstragödie? Oder ein Aufbruch in eine bessere, humanere Zukunft? Man darf sich sein eigenes Bild machen ...

Genauso stark wie die szenische Seite ist auch die musikalische. Die (notwendigen) Striche haben den beiden Stücken gut getan; nur die Pause mitten in der Tauride-Handlung kommt etwas unvermittelt daher. Aber Dirigent Leo Hussain am Pult der sehr guten, ein wenig in Richtung Originalklang getrimmten Wiener Symphoniker (fabelhaft wie so oft der Arnold Schoenberg Chor) setzt auf Dramatik, Expressivität und melodische Tiefenschärfe. Hussain entwickelt die Charaktere souverän aus der Musik heraus, ist den Interpreten ein feiner Partner.

Und diese überzeugen ausnahmslos: An der Spitze Sopranistin Véronique Gens als Tauriden-Iphigénie und Diana (Rollen wurden zusammengelegt oder verdoppelt), die alle Register ihres Könnens zieht. Stéphane Degout ist ein exzellenter Oreste, Rainer Trost ein toller Pylade, Michelle Breedt eine intensive Clytemnestre, Maxim Mironov ein starker Achille und Christoph Pohl ein überragender Agamemnon bzw. Thoas. Als Jung-Iphigénie schlägt sich Lenneke Ruiten wacker. Empfehlenswert!

KURIER-Wertung:

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