Psycho-Duell zwischen Stadt und Land mit toxischer Männlichkeit

Kampf um Wahrheit: Philipp Plessmann und Nicolas Streit
Der diesjährige Pride Month hat durch ein rückschrittliches Gesetzesvorhaben aus Ungarn ungeahnt an Dramatik gewonnen. Sogar der Fußball wurde zu einer Bühne der Auseinandersetzung.
Am Theater fand man naturgemäß schon früher zu einer Sprache, die sich mit Homophobie beschäftigt. Ein packendes Beispiel dafür zeigt derzeit das Theater Nestroyhof/Hamakom als Wiederaufnahme.
"Tom a la Ferme / Am Land ist es immer finster" ist eine Koproduktion mit dem Kollektiv „wirgehenschonmalvor“, das sich mit toxischer Männlichkeit und queer-politischen Themen auseinandersetzt. Matthias Köhler inszenierte die deutsche Fassung des Stücks des kanadischen Autors Marc Michel Bouchard.
Netz aus Lügen
Der junge Städter Tom reist zur Beerdigung seines mit nur 25 Jahren verstorbenen Freundes Guillaume aufs Land. An dem Bauernhof angekommen, stellt er fest, dass niemand von ihm oder von Guillaumes sexueller Neigung weiß. Nur Guillaumes Bruder Francis lässt mehr als deutlich durchblicken, dass er darüber Bescheid weiß und nichts von Toms Erscheinen hält. Er, der körperlich Überlegene, will das Netz aus Lügen, das nicht zuletzt Mutter Agathe vor der für sie schmerzlichen Wahrheit schützen soll, aufrecht erhalten. Und das mit aller Gewalt: Drohungen, Spielchen, aber auch sexuelle Avancen, die Tom, der nach der Beerdigung am Bauernhof aushilft, stark zusetzen.

Scheitelknien auf hartem Holz
Die Bühne (Elke Auer) kommt mit wenigen Requisiten aus, einem Küchentisch, einem beleuchtbaren Kreuz und einem riesigen Haufen Erde, der sich durch die unterschiedlichen Aktionen immer mehr im Raum verteilt.
Filmisch
Die Herangehensweise ist sehr filmisch, das liegt weniger an den verwendeten Videoprojektionen, als an der Arbeit mit Licht, Musik (Eva Jantschitsch) und der Erzählweise in Sequenzen.

Martina Spitzer, Nicolas Streit und Philipp Plessmann
Die beiden Hauptdarsteller, Philipp Plessmann als perfider, zu kurz gekommener Guillaume und Nicolas Streit als lebensfroher, neugieriger Tom, liefern einander ein starkes, sehr körperliches Psycho-Duell. Martina Spitzer verkörpert die in ihrer traditionalistischen Welt gefangene Mutter, Johanna Berger hat einen kurzen Auftritt als Sara, die als angebliche Freundin Guillaumes den Schein aufrecht erhalten soll.

Schmeckt die Milch? Sara (Johanna Berger) muss sich als angebliche Freundin des Toten ausgeben und wird einer peniblen Prüfung unterzogen
Wieder einmal stellt das Theater Nestroyhof seinen Status als eine der derzeit spannendsten Mittelbühnen Wiens unter Beweis. Das hat sich nach dieser kurzen Saison, die bald endet, wieder mehr Aufmerksamkeit verdient.
INFO: „Tom à la ferme / Am Land ist es immer finster", bis Sonntag, 27.6., im Theater Nestroyhof / Hamakom
www.hamakom.at
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