Das Image des Menschentyps „Kunstsammler“ wurde medial zuletzt eher von finanzstarken Personen (noch immer: meistens Männer) mit Hang zur großen Geste geprägt. Als Kulturträger nicht minder wichtig sind aber jene „narrischen“ Sammler, die ihren Lebensraum mit (oft kleineren) Kunstwerken anfüllen und diese Sammlung als materielle Erweiterung ihres Denkens begreifen. Eine Leidenschaft, deren intellektuelle und emotionale Bestandteile stark verquirlt sind, motiviert diese Menschen, Dinge anzuhäufen.
Der Sammler Helmut Klewan gehört, das lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, zu dieser zweiten Kategorie. Die Früchte seines Tuns lassen sich derzeit gleich in zwei Ausstellungen in Wien bestaunen: Dem Leopold Museum vermachte der lange als Galerist tätige Klewan, dessen Eltern das auf Dekorationskunst spezialisierte „Haus der Bilder“ an der Rückseite des heutigen MuseumsQuartiers betrieben hatten, seine Kollektion von Schriftsteller-Porträts.
Freud an der Kunst
Dem Freud Museum schenkte Klewan ein Bildnis des Psychoanalyse-Begründers. Dieses bildet nun einen Kristallisationspunkt einer umfassenderen Schau: Unter dem Titel „Surreal!“ sind Werke von Giorgio De Chirico, Salvador Dali, Man Ray und anderen Klassikern in intimem Rahmen ausgestellt. Die Schau wirkt stellenweise wie eine Fortsetzung der Ausstellung „Dali – Freud“, die bis vor Kurzem in der Orangerie des Unteren Belvedere zu sehen war; am selben Ort hatte Klewans Sammlung zuletzt 2017 ein Gastspiel.
Zeigte die Belvedere-Auswahl eher die überschwänglichen, dem Kitsch nicht abgeneigten Seiten des Klewanschen Kunstverständnisses, so spürt man nun einer literarisch begründeten Geistesregung nach.
Die Surrealisten hingen bekanntlich Freud an den Lippen, und Klewan scheint sowohl deren Lektüre als auch ihren Hunger nach Bildern nachvollzogen zu haben. In den großteils auf Papier ausgeführten Werken – Zeichnungen von André Masson oder Hans Bellmer sind hier als Glanzstücke zu nennen – meint man die direkte Auseinandersetzung der Künstler mit Freuds Zugängen nachvollziehen zu können (wobei die Surrealisten Freuds Einwände, dass sich das Unbewusste nicht einfach so bildlich übersetzen lasse, großzügig ignorierten).
Doch die Hoffnung, dass der Geist Spuren auf einer Bildfläche hinterlassen könne, lebt. Anders ist auch die Leidenschaft, mit der Klewan entlang seiner literarischen Begeisterung zahllose Porträts von Schriftstellern und Schriftstellerinnen zusammentrug, kaum zu erklären.
Wolken des Geistes
Das Leopold Museum engagierte den Literaturwissenschafter und Autor Stefan Kutzenberger, die Porträts zu arrangieren – er entschied sich zu einer sogenannten „Wolkenhängung“, in der die Gesichter der Geistesgrößen nach geografischer und stilgeschichtlicher Nähe gruppiert sind. Kumulierungen gibt es etwa um die Romantik oder amerikanische oder britische Literatinnen.
Das Publikum erlebt dabei einige Ahas (so sah Baudelaire also aus!) und die Freude der Wiedererkennung (Nietzsches Schnauzer!). Der literarische Fokus ebnet freilich auch Unterschiede in der künstlerischen Qualität ein – ein Porträt Arthur Schnitzlers von Max Oppenheimer oder ein Porträt Balzacs von Pablo Picasso ist eben etwas anderes als eine anonyme Druckgrafik, wie sie etwa von Edgar Allan Poe massenhaft zirkulierte.
Der geistige Funke, der sich bei der Auseinandersetzung überträgt, lässt sich wohl weder im Literarischen noch im Bildnerischen letztgültig festmachen, sondern lebt in den Zwischenräumen.
Es bleibt zu hoffen, dass der Raum eines solchen Austauschs auch in künftigen Museumsausstellungen geschaffen wird – und von Klewans Schenkung nicht nur die Filetstücke der „großen Namen“ öfters aus dem Depot geholt werden.
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