Ein Gemälde wie „Anthropomorphes Brot“ (1931), das nun im Unteren Belvedere hängt, zeigt recht eindeutig, wie etwa von Freud benannte phallische Formen in den Bildern des Spaniers Niederschlag fanden. Der Dalí-Experte Jaime Brihuega Sierra, der die seit langem geplante und pandemiebedingt um ein Jahr verschobene Schau kuratierte, warnt jedoch davor, den Surrealisten nur als Illustrator von Freuds Erkundungen zu betrachten.
Eher habe Freud Dalí die Tür zu einer eigenen künstlerischen Sprache geöffnet, mit der dieser seine zahlreichen Neurosen und Obsessionen ins Bild bannen konnte. Und auch wenn Freud bis zuletzt skeptisch blieb, ob eine Erkundung des Unbewussten mittels Kunst überhaupt möglich sei, erwog er nach dem Treffen in London zumindest einen genaueren Blick: „Bis dahin war ich geneigt, die Surrealisten, die mich scheinbar zum Schutzpatron gewählt haben, für absolute (sagen wir 95 Prozent wie beim Alkohol) Narren zu halten“, schrieb er an Zweig.
Nahsichtigkeit legt auch die Belvedere-Schau nahe, die bei allem Getöse (am Montag wird sie vom spanischen Königspaar offiziell eröffnet) mit dem lang gezogenen Orangerie-Saal auskommt und so überschaubar bleibt. Die meisten Exponate sind auf bankähnliche, im rot getünchten Saal verteilte Möbel montiert, was Salon-Atmosphäre zur Folge hat.
Angesichts der Tatsache, dass die meisten von uns Dalí-Werke eher als Poster kennen, ist es fast überraschend zu sehen, dass der Spanier relativ kleine Formate malte – diese aber mit viel Akribie.
Der Blick durchs Mikroskop war neben der Freud-Lektüre ein zentraler Impuls, wie ein Kapitel verdeutlicht: Histologische Zeichnungen von Nervenzellen, wie sie der spanische Mediziner Santiago Ramón y Cajal anfertigte, befeuerten die Surrealisten bei ihrem Streben, das bis dato Unbekannte zum Bild zu machen. Auf ähnliche Verbindungen zwischen Wissenschaft und Kunst wies der Nobelpreisträger Eric Kandel übrigens schon mit Blick auf Klimt und Schiele hin.
Dalís quasi-wissenschaftlicher Furor fokussierte sich ab 1929 auf das, was er seine „paranoisch-kritische Methode“ nannte: Darin zielte er auf Bilder ab, die eine zweifache Bedeutung haben können – wie Schwäne, die sich als Elefanten spiegeln (siehe großes Bild). Die Betrachter sollten so in ein „Interpretationsdelirium“ stürzen, befand er.
Im Bild „Die Metamorphose des Narziss“, das Dalí 1937 gemalt hatte und 1938 zu seinem Besuch bei Freud mitbrachte, erscheint ein Doppel-Objekt einmal als Figur, die sich über Wasser beugt, dann wieder als Hand, die ein Ei hält. Die Vorlage dafür könnte der Künstler gefunden haben, als er 1937 Wien besuchte und laut Autobiografie im Hotel Sacher logierte. Freud war damals verreist, doch möglicherweise, mutmaßt Kurator Brihuega, sah Dalí in Abwesenheit des Doktors dessen Figurensammlung. In dieser findet sich nämlich auch eine antike Bronze-Hand, die ein Ei hält.
Die kleine Skulptur ist als Leihgabe des Londoner Freud-Museums in Wien zu sehen. Das Narziss-Gemälde, mit dem Dalí Freud von seiner Methode überzeugen wollte, wurde von der Tate Modern leider nicht hergegeben – nur eine Reproduktion, im Poster-Großformat natürlich, hängt an der letzten Wand. Als Bild, in dem alle Fäden zusammenlaufen, hätte das Werk der Ausstellung noch die Krone aufgesetzt.
Bis 29. 5.; am 31. 1. wegen des Besuchs des spanischen Königspaars geschlossen
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