Ein Geschichtenerzähler mit Charme, Anstand und Stil

Mindestens ebenso stilvollen Genuss, wenngleich ganz anders gelagert bietet Max Raabe mit seinem Palast Orchester am 4. und 5. Mai in der Wiener Stadthalle.
Max Raabe und Pianist Christoph Israel begeisterten mit "Übers Meer" im Wiener Konzerthaus.

Bereits der Titel ist Programm. "Übers Meer" nennt Max Raabe eines seiner neuen Programme, das dem musikalischen Wirken von Komponisten nachspürt, die während des NS-Terrors ins Exil gehen mussten.

Das klingt recht pädagogisch, ist es bei Raabe aber naturgemäß nicht. Im gewohnten lakonisch-leidenschaftlichen Stil präsentierte Raabe mit seinem exzellenten Pianisten Christoph Israel musikalische Kostbarkeiten.

Virtuose Reise

Walter Jurmanns "Ninon" oder Stücke von Friedrich Hollaender – vollendet vorgetragen führt die Reise vom feinen "Herrenartikelgeschäft" über "süße Schwestern" bis zu Ralph Benatzkys "Bezauberndem Fräulein". Auch der kleine Unterschied zwischen einem Eintänzer und einem Gigolo kommt da zur Sprache. Dass die feurige Carmen kein Erbarmen hat, Raabes Herz aber ein "Salon für schöne Frauen" ist, und dass Clark Gable bei der "Meuterei auf der Bounty" gewiss den "Love Song of Tahiti" gehört haben muss, versteht sich von selbst.

Denn Raabe beschwört – auch im Mozart-Saal des Konzerthauses – perfekt das "kleine Glück", huldigt auch Fritz Kreisler oder Ernst Marischka, macht Ausflüge ins Russische oder gar nach Hollywood und kommt letztlich zu der Erkenntnis "Küssen kann man nicht alleine".

Das alles bringt Raabe ideal auf den Punkt. Charmant, mit einer Träne im Knopfloch, aber nie larmoyant und stellenweise unfassbar komisch. Der so trockene Humor des Wahlberliners überträgt sich mühelos auf das Publikum. Denn Raabe und Israel haben Stil, bergen Schätze, nehmen Musik und Text ernst, ohne aber ins Pathetische abzugleiten. Die Schlager und Chansons der 20er- und 30e- Jahre – sie sind so lebendiger denn je.

KURIER-Wertung:

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