Eddie Van Halen: Der Tag, als die Gitarre starb

Van Halen starb nach langem Leiden
Essay: Der nach Jimi Hendrix zweitwichtigste Gitarrist aller Zeiten starb mit 65 an Krebs.

Von Eddie Van Halen ist folgende Anekdote überliefert. Als ein Journalist ihn fragte „Wie fühlt es sich an, der beste Gitarrist der Welt zu sein?“ antwortete er: „Fragen Sie Steve Lukather.“

So war Eddie Van Halen: Bescheiden und humorvoll. Obwohl man ihn weltweit als Wundergitarrist verehrte, fand er, sein Freund Lukather (von der Band Toto) sei besser.

Am Mittwoch ist Edward Lodewijk Van Halen im Alter von 65 Jahren an Krebs gestorben. Es blieb seinem Sohn (und Bandkollegen) Wolfgang vorbehalten, den Tod dieses außergewöhnlichen Musikers der Welt mitzuteilen. Wolfgang (benannt nach Mozart) schrieb:

„Ich kann nicht glauben, dass ich das schreiben muss, aber mein Vater hat seinen langen und tapferen Kampf gegen den Krebs heute Vormittag verloren. Er war der beste Vater, den ich mir wünschen konnte. Jeder Augenblick, den ich mit ihm auf und abseits der Bühne teilen konnte, war ein Geschenk. Mein Herz ist gebrochen, und ich glaube nicht, dass ich mich je vollständig von diesem Verlust erholen werde. Ich liebe dich so sehr, Papa.“

Sein Sohn und seine Ex-Frau, die Schauspielerin Valerie Bertinelli, waren bei ihm, als er starb. Es ist typisch für den berüchtigten Familiensinn der Van Halens, dass Eddie und Valerie auch nach ihrer Scheidung die engsten Freunde blieben. Bertinelli schrieb auf Instagram: „Ich seh dich im nächsten Leben, mein Geliebter.“

Gene Simmons von KISS, der Van Halen entdeckte, schrieb auf Twitter: „Er war nicht nur ein Gitarren-Gott, sondern auch eine wunderbare Seele.“ Und Sammy Hagar, langjähriger Sänger von Van Halen (und mit Eddie im Streit auseinander gegangen), postete: „Heartbroken and speechless.“

Grinser

Rockstars und Fans weltweit schrieben in den vergangenen Stunden Trauerbekundungen. Und die Trauer, die in den sozialen Medien oft etwas unangenehm Inszeniertes an sich hat, klingt diesmal echt.

Das liegt daran, dass Eddie Van Halen nicht nur ein außergewöhnlicher Gitarrist war – viele stellen ihn gleichberechtigt neben Jimi Hendrix – sondern auch (wenn er nüchtern war) ein außergewöhnlich netter Mensch. Sein schelmisches Grinsen – der „Van-Halen-grin“ war ebenso berühmt wie sein Gitarrenspiel.

Van Halen kam 1955 in Amsterdam zur Welt. Sein Vater, Jan Van Halen, war Jazzmusiker. Die Legende berichtet, dass Eddie ein Schlagzeug geschenkt bekam, und sein älterer Bruder Alex eine Gitarre. Bald tauschten die Brüder die Instrumente und wurden Virtuosen. Die Familie wanderte nach Kalifornien aus, wo die Brüder die Band Mammoth gründeten, aus der bald Van Halen wurde (mit Michael Anthony am Bass und David Lee Roth am Mikrofon).

Tapping

Eddie Van Halen entwickelte einen eigenen Spielstil, das „Finger-Tapping“. Dabei verwendet man die Finger der Schlaghand nicht dazu, die Saiten anzureißen, sondern schlägt auf das Griffbrett der Gitarre. Im Zusammenspiel der linken und rechten Hand lassen sich dabei rasend schnelle Tonfolgen spielen, die ein wenig nach klassischer Musik klingen. Auf dem ersten Album der Band findet sich das Stück „Eruption“, auf dem Eddie wunderbar demonstriert, was man mit dieser Spieltechnik alles anstellen kann.

Angeblich spielte Eddie, als die Band noch unbekannt war, bei Konzerten seine Soli mit dem Rücken zum Publikum, damit ihm niemand seine Ideen stehlen konnte. Der Gitarrist Neil Schon von der Band Journey soll damals zu ihm gesagt haben: „Du kleiner Arsch, wie machst du das?“

(Er machte es mit seinen Fingern. Dazu noch eine Anekdote.  Der in Amerika enorm populäre Gitarrist Ted Nugent – genau, das ist der, der gerne Tiere mit Pfeil und Bogen erlegt und der findet, Drogensüchtige gehören hingerichtet – soll bei einem Festival Eddie Van Halen aufgefordert haben, mit ihm Gitarre und Equipment zu tauschen. Danach klang Van Halen immer noch wie Van Halen, und Nugent immer noch nur wie Nugent. Wie jeder, der einmal Gitarre gespielt hat, weiß: Der Klang entsteht in der Hand.)

Van Halen wurden Ende der Siebzigerjahre als Hardrock-Stars berühmt und hatten im Jahr 1984 mit „Jump“ sogar einen Welthit. Danach verließ David Lee Roth die Band, und Van Halen wurden mit ihrem neuen Sänger Sammy Hagar sogar noch größer.

Der "letzte Gitarrenboss" ist gestorben

Beat It

Aber auch Menschen, die bei dem Wort „Hardrock“ schreiend das Zimmer verlassen, kennen Eddie Van Halens Gitarrenspiel. Er spielte nämlich das Solo auf dem Song „Beat It“ von Michael Jackson auf dessen Album „Thriller“, der meistverkauften Platte aller Zeiten. Der Produzent des Albums, Quincy Jones, erinnert sich daran, dass er bei seinem Anruf bei Van Halen diesen erst überzeugen musste, dass es sich nicht um einen Scherz handelte.

Van Halens furioses, gleichzeitig verrückt und geschmeidig  klingendes Solo half Michael Jackson, ein weißes Massenpublikum zu erreichen, das eher mit Rock vertraut war als mit Soul. Das Solo klingt übrigens deshalb so einzigartig, weil es aus mehreren „Takes“ zusammen geschnitten wurde.

Eddie Van Halen hat die Rockmusik revolutioniert – nach ihm spielte kein Gitarrist mehr so, wie zuvor (nicht immer nur mit guten Ergebnissen). Mit ihm stirbt der letzte Gitarrenheld – in der Popmusik von heute ist die Gitarre keine Wunderwaffe mehr, sondern nur noch Beiwerk.

Alkohol

Der Wahrheit verpflichtet, sollte man nicht verschweigen: Eddie Van Halen war sein Leben lang schwerer Alkoholiker. Vor 20 Jahren erkrankte er an Zungenkrebs, dieser kam zurück und befiel seine Lunge.

Auch Van Halen starb, wie so viele Rockmusiker, letztlich an einer Überdosis Leben.

Staatsoper

Sogar die Wiener Staatsoper verbeugte sich vor Van Halen mit dem Schriftzug „RIP Eddie“. Direktor Bogdan Roščić: „Mozart hätte Van Halen als verwandtes Genie erkannt.“

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